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Kurzinfos Oktober 2021



«Ein Angriff auf die EU als Rechtsgemeinschaft»:

Polens Verfassungsgericht hat erklärt, dass EU-Recht keinen Vorrang mehr vor der polnischen Verfassung auf Gebieten hat, die nicht von den EU-Verträgen abgedeckt sind. Damit schert das Land gemäss Brüssel aus der gemeinsamen Rechtsordnung aus und sieht eine rote Linie überschritten.

Schon seit Monaten hatte die EU auf einen Entscheid des polnischen Verfassungsgerichts gewartet und sich auf «das Schlimmste» eingestellt. Doch nachdem am Donnerstagnachmittag, den 7. Oktober 2021, Punkt 17 Uhr 15, die Richterinnen und Richter des Trybunal Konstytucyjny in Warschau tatsächlich zusammengetreten waren, wirkte das politische Brüssel dennoch wie aus allen Wolken gefallen.

In ihrem Urteilsspruch haben die polnischen Verfassungshüter erklärt, jeder Versuch des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), sich in Polens Justizwesen einzumischen, verstosse gegen «die Regel, dass die Souveränität im Prozess der europäischen Integration bewahrt» bleibe.

«Ich bin darüber mehr als beunruhigt», sagte der zuständige EU-Kommissar Didier Reynders am Rande eines Treffens der EU-Justizminister am Donnerstag (7. Oktober 2021) in Luxemburg. Man werde, so erklärte Reynders sichtlich aufgewühlt, «alle verfügbaren Werkzeuge nutzen, um sicherzustellen, dass die Grundprinzipien der Europäischen Union gewahrt werden». Der Vorrang von europäischem Recht gegenüber nationalem Recht gehöre für ihn selbstverständlich zu diesen Prinzipien. Genauso wie die Norm, dass alle Urteile des EuGH verbindlich seien für alle Gerichte in den Mitgliedstaaten. Der EuGH soll damit auch über die Grenzen der vertragsgemässen EU-Kompetenzen befinden – was den Bock wohl zum Gärtner macht.

Ob der polnische Richterspruch finanzielle Konsequenzen für Warschau haben werde, liess Reynders offen. Der Belgier verwies gleichwohl auf die «laufenden Diskussionen» über die Mittel aus dem Corona-Aufbaufonds, welche die Kommission bisher für Polen nicht freigegeben hat. Auch werde man, so Reynders, nun ein Verfahren zum Schutz des EU-Haushalts einleiten. Dass für die polnische Regierung dadurch finanzielle Mittel aus dem regulären Haushalt gesperrt werden, liegt auf der Hand.

Noch am Abend erklärte die Kommission schriftlich, dass sie «nicht zögern» werde, ihre «vertraglichen Befugnisse einzusetzen, um die Integrität des Unionsrechts und seine einheitliche Anwendung zu sichern». Man werde das Urteil des polnischen Verfassungsgerichtshofs eingehend analysieren und über die nächsten Schritte entscheiden, hiess es. Die EU sei eine «Gemeinschaft der Werte und des Rechts».

Welche Schritte nun erfolgen, buchstabierte die Behörde allerdings nicht aus. Auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die am Freitag ihre «tiefe Besorgnis» zum Ausdruck gab, wollte nicht konkretisieren, wie Brüssel zu kontern gedenkt.

Umso schärfer meldete sich der Präsident des Europaparlaments David Sassoli zu Wort. «Der Vorrang von EU-Recht muss unbestritten sein. Ihn zu verletzen, bedeutet, eines der Gründungsprinzipien unserer Union infrage zu stellen», schrieb der Italiener auf Twitter. Die EU-Kommission müsse nun umgehend Konsequenzen ziehen.

«Das Urteil hat historische Ausmasse», sagte die sozialdemokratische Vizepräsidentin des Europaparlaments und frühere deutsche Justizministerin Katarina Barley. «Durch das Urteil steht Polen mit beiden Beinen ausserhalb der europäischen Rechtsordnung. Es ist nicht zu rechtfertigen, in einer solchen Lage europäisches Geld an die polnische Regierung auszuzahlen.» Von einem «Angriff auf die EU als Ganzes» sprach der niederländische Christlichdemokrat Jeroen Lenaers. Es sei schwer, den Beteuerungen der polnischen Regierung zu glauben, dass sie überhaupt in der EU bleiben wolle: «Ihre Handlungen weisen in die entgegengesetzte Richtung.»

Der stellvertretende Vorsitzende im Rechtsausschuss, der deutsche Grüne Sergey Lagodinsky, bezeichnete die Entscheidung aus Warschau «als einen Schlag ins Gesicht der polnischen Bürger». Sie verlören damit den Schutz durch das EU-Recht. Der deutsche FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner äusserte die Warnung, dass Polen nun in Richtung EU-Austritt schlafwandle: «Der Polexit ist nicht länger nur ein Hirngespinst der Rechtspopulisten in Polen, sondern leider reale Gefahr. Wer EU-Recht nur nach eigenem Gutdünken einhalten will, kann nicht Mitglied der EU bleiben.»

Tatsächlich hat die EU keine rechtliche Handhabe, ein Mitgliedsland aus der Gemeinschaft hinauszuwerfen. Einen «Polexit» müsste Warschau schon freiwillig beschliessen. Laut Meinungsumfragen will die überwältigende Mehrheit der Polen jedoch in der EU verbleiben. Auch der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki beteuerte am Freitag, dass sein Land nicht auf seinen «Platz in der europäischen Völkerfamilie» verzichten werde.

Morawiecki verwies auf seiner Facebook-Seite auf Entscheidungen der Gerichte anderer Länder, die ebenfalls den Grundsatz des Vorrangs von EU-Recht infrage gestellt hätten. Damit bezog sich der polnische Ministerpräsident ganz offensichtlich auf einen Entscheid des deutschen Bundesverfassungsgerichts, das im vergangenen Jahr den Kauf von Anleihen durch die Europäische Zentralbank für rechtswidrig erklärt hatte. Die EU-Kommission leitete deswegen ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein.

Zu erwarten ist, dass Brüssel vorerst den üblichen Rechtsweg beschreiten wird – es könnte beispielsweise versuchen, das schon seit Jahren sich dahinschleppende Artikel-7-Verfahren zu beschleunigen. Mit dieser Vorschrift wird ein schwerwiegender Bruch der Rechtsstaatlichkeit festgestellt, der zum Entzug der Stimmrechte eines Mitgliedslandes führen kann. Bisher haben die europäischen Institutionen und Mitgliedsländer einen solchen Showdown mit Polen stets vermieden. Dies könnte sich nach dem widerspenstigen Richterspruch aus Warschau freilich ändern. NZZ, 9. Oktober 2021, S. 3


Polens Verfassungsgericht stellt sich gegen die Anwendung des EU-Rechts auf Bereiche, die nicht durch die Verträge abgedeckt sind

Polens Verfassungsgericht hat am Donnerstagabend (7. Oktober 2021) den Konflikt mit der Europäischen Union in eine neue Phase gebracht. 10 der 12 anwesenden Magistratinnen und Magistraten entschieden, dass die EU und spezifisch der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit dem Anspruch, die Entscheidungen des «souveränen und demokratischen Staates» Polen zu bewerten, ihre Kompetenzen überschritten haben. «Die EU-Organe handeln ausserhalb der ihnen in den Verträgen übertragenen Zuständigkeiten», erklärte die vorsitzende Richterin Julia Przylebska. Dies widerspreche der Verfassung.

Das Tribunal, das seine Grundsatzentscheidung auf Antrag der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) fällte, erklärte konkret Artikel 1, 4 und 19 des Vertrags über die Europäische Union für verfassungswidrig. Diese setzen einige der Grundregeln des europäischen Rechtsraums, wie den Transfer nationaler Kompetenzen nach Brüssel, den Geltungsbereich europäischer Gesetze und die Funktion des EuGH als oberstes Justizorgan.

Das Verfassungsgericht fällte das Urteil nach monatelangen Verhandlungen und nicht weniger als sieben Verschiebungen. Zahlreiche Beobachter sahen hinter den Verzögerungen die Unschlüssigkeit der PiS.

Vordergründig geht es bei dem Urteil tatsächlich um ein heikles Thema. Die Frage des Vorrangs nationalen oder europäischen Rechts ist auch in Polen nicht unumstritten. So hält Artikel 8 der Verfassung fest, diese sei «das oberste Recht der Republik», und die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs sind laut Artikel 190 «bindend und endgültig».

Dagegen steht in Artikel 90 und 91, ein ratifizierter völkerrechtlicher Vertrag stehe über polnischen Gesetzen, wenn sie diesem widersprechen. Auch könne Warschau internationalen Organisationen Kompetenzen abgeben. Die meisten Experten und die Vorgängerregierungen der PiS argumentierten, dass das Land mit dem Beitritt zur EU im Grundsatz auch den im Vertrag über die EU festgehaltenen «Anwendungsvorrang» des europäischen Rechts akzeptiert hat.

Die Mitgliedstaaten sind damit grundsätzlich verpflichtet, Urteile des EuGH umzusetzen. Unter dem Eindruck des Konflikts mit Polen geht die EU-Kommission auch gegen andere Staaten härter vor, die dies infrage stellen: So hat das deutsche Bundesverfassungsgericht letztes Jahr den Kauf von Anleihen durch die Europäische Zentralbank für illegitim erklärt und damit dem EuGH widersprochen. Als Reaktion lancierte Brüssel im Juni ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Berlin.

Warschau geht es gleichzeitig um mehr und um weniger. «Es besteht kein Zweifel am Vorrang der polnischen Verfassungsnormen vor anderen Rechtsnormen», sagte jüngst Regierungssprecher Piotr Müller. Zu Recht wies er darauf hin, dies hätten polnische Verfassungsgerichte in verschiedener Zusammensetzung anerkannt. Damit versuchte er offenkundig auch, die weitverbreitete Meinung zu entkräften, wonach das heutige Tribunal eine Marionette der Regierung sei und seine Entscheidung damit illegitim.

Er verschwieg, dass die Richter in der Vergangenheit pragmatische Lösungen gefunden hatten. So wurde die Verfassung 2006 ergänzt, um den europäischen Haftbefehl gesetzlich zu verankern. Doch die Hardliner in der Regierung, die sich nicht nur im Umfeld von Justizminister Zbigniew Ziobro finden, lassen den Konflikt eskalieren, da sie sich durch den EuGH in ihren Gerichtsreformen ausgebremst sehen. Die Richter in Luxemburg hatten wiederholt geurteilt dass deren Kernelemente die Unabhängigkeit der polnischen Justiz verletzten.

Der EuGH hält nicht nur die Mechanismen zur Bestellung polnischer Richter für politisiert. Er kritisiert vor allem die neuen Disziplinierungsmechanismen, die sich Ziobro etwa über eine Kammer am Obersten Gericht geschaffen hat. Diese kann Richter etwa für kritische Äusserungen in der Öffentlichkeit sanktionieren. Dass sie von ihren Kompetenzen rege Gebrauch macht, zeigen Verfahren in den letzten Monaten. Warschau hat als Reaktion auf die Urteile zwar an verschiedenen Punkten Anpassungen vorgenommen, die Grundmechanismen aber intakt gelassen.

Gleichzeitig hat Brüssel seine Gangart noch einmal verschärft. Neben mehreren Vertragsverletzungsverfahren läuft auch ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge wegen der Justizreformen. Wegen der unvollständigen Umsetzungen des EuGH-Urteils über die Disziplinarkammer hat die EU-Kommission Anfang September 2021 die Verhängung eines täglichen Bussgeldes beantragt. Zudem hält sie 23,9 Milliarden Euro aus dem Corona-Aufbaufonds zurück, wobei ein direkter Zusammenhang – nicht sehr glaubwürdig – bestritten wird.

Das Urteil wird Versuche, zwischen Warschau und Brüssel Kompromisse zu finden, deutlich erschweren, auch wenn sich PiS-Politiker beeilten, festzuhalten, es richte sich nicht gegen europäisches Recht ganz allgemein, sondern lediglich gegen dessen übertriebene Anwendung. NZZ, 8. Oktober 2021, S. 3


Brexit-Poker um Nordirland

Sowohl die EU wie auch Grossbritannien wollen das Nordirland-Protokoll reformieren. Doch während Brüssel praktische Vorschläge für Handelserleichterungen präsentiert, wirft London Grundsatzfragen rund um EU-Richter auf. Erneut droht eine Konfrontation mit potenziell schwerwiegenden Folgen.

Eigentlich hatte Boris Johnson ja versprochen, er werde einen Schlussstrich unter die Brexit-Wirren ziehen. Im Herbst 2019 hatte der Premierminister mit Brüssel ein Nordirland-Protokoll ausgehandelt: Aus Angst vor einem Wiederaufflammen des Bürgerkriegs galt es, Warenkontrollen zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland zu verhindern. Johnson willigte ein, Nordirland faktisch im EU-Binnenmarkt zu belassen und die EU-Aussengrenze für Waren in der Irischen See anzusiedeln – inmitten des britischen Staatsgebiets. Dass das Protokoll Handelsbarrieren zwischen Grossbritannien und Nordirland aufbauen würde, stritt Johnson ab. Vielmehr pries er seinen Vertrag als «ofenfertig» an und gewann mit dem Slogan «Get Brexit Done» die Wahlen.

Zwei Jahre später nun droht die damalige Einigung endgültig zur Makulatur zu verkommen. Dafür beginnt zwischen London und Brüssel ein neuer Verhandlungspoker, wobei schwerwiegende Folgen drohen.

Seit Monaten drängt London auf eine Überarbeitung des Nordirland-Protokolls. Dieses sorgt seit Anfang 2021 für grossen politischen Aufruhr in Nordirland, obwohl es wegen Gnadenfristen noch gar nicht seine volle Wirkung entfaltet hat. Einerseits ärgern sich nordirische Konsumenten über Lieferschwierigkeiten und drohende Einfuhrverbote für gekühlte Würste und andere britische Güter. Andererseits befürchten die protestantischen Unionisten, die Anbindung an den EU-Markt gefährde die Stellung Nordirlands im Vereinigten Königreich und bereite einem vereinigten Irland den Boden.

Auch in Brüssel ist die Einsicht gereift, dass Reformbedarf besteht: Im September 2021 war der zuständige EU-Kommissar, Maros Sefcovic, nach Nordirland gereist, um im Austausch mit Politikern, Unternehmern und anderen Interessenvertretern besser zu verstehen, wo der Schuh genau drückt. Am Mittwoch, 13. Oktober 2021, legte Sefcovic konkrete Vorschläge zur Lösung der beanstandeten Probleme vor.

So sollen 80 Prozent der physischen Kontrollen von für den Detailhandel bestimmten Gütern zwischen Grossbritannien und Nordirland wegfallen. Die Zollformalitäten würden halbiert. Ein Lastwagen mit 100 unterschiedlichen Nahrungsmitteln brauche künftig nur noch ein einziges Zertifikat anstelle von 100 Formularen, sagte Sefcovic in Brüssel. Dank der neuen Lösung würden auch britische Spezialitäten wie Cumberland-Würste wieder einfacher nach Nordirland gelangen.

Im Gegenzug soll London allerdings die versprochenen Grenzkontrollstellen endlich bauen. Zudem kommt ein Aufkleber mit den Worten «Nur für den Verkauf im Vereinigten Königreich» auf die Produkte, und die EU könnte die Erleichterungen im Fall von Problemen einseitig zurücknehmen. Ferner fordert Brüssel von London den Zugang zu Echtzeitdaten des Warenhandels nach Nordirland.

Die Versorgung mit Medikamenten soll sichergestellt werden, indem britische Pharmakonzerne sich nicht zwingend auch in Nordirland niederlassen müssten. Das bedingt aber eine Anpassung von EU-Recht. Um schliesslich die Anwendung des Protokolls transparenter zu machen, sollen Vertreter Nordirlands in verschiedenen Gremien Einsitz erhalten.

Bereits am Freitag, 15. Oktober 2021, will Sefcovic den britischen Brexit-Minister David Frost zu einem Mittagessen empfangen – in Brüssel hofft man auf eine Einigung in den nächsten Wochen. Die Zugeständnisse der EU sind substanziell, werfen aber auch die Frage auf, warum Brüssel nicht schon viel früher mehr Pragmatismus und Flexibilität an den Tag gelegt hat.

Eine erste Reaktion eines britischen Regierungssprechers fiel am Mittwochabend (13. Oktober 2021) verhalten positiv aus. Doch hatte Frost bereits am Dienstag bei einer Rede in Lissabon deutlich gemacht, dass London grundsätzlichere Konzessionen verlangt. Ein gänzlich neues Protokoll soll nicht nur die Handelskontrollen auf ein Minimum reduzieren. Vielmehr soll auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Nordirland künftig nichts mehr zu sagen haben und durch ein Schiedsgericht ersetzt werden.

Frost erklärte, London habe den Vertrag 2019 unter grossem Druck und im Unwissen über die künftige Handelsbeziehung unterzeichnet. Erst jetzt habe sich gezeigt, dass das Protokoll nicht umsetzbar sei. Doch liess Johnsons ehemaliger Chefberater Dominic Cummings Zweifel daran aufkommen, dass London den Vertrag je in guten Treuen unterzeichnet hat. Auf Twitter erklärte Cummings, der inzwischen mit Johnson auf Kriegsfuss steht, die Regierung habe von Anfang an beabsichtigt, sich missliebiger Teile des Protokolls zu entledigen.

Die EU argumentiert, die britische Regierung habe sehr wohl gewusst, auf was sie sich eingelassen habe. Dass Brüssel dem Königreich in den Warenverkehr zwischen britischer Insel und Nordirland dreinredet, gilt als Preis für Johnsons Brexit-Austrittsabkommen und den Freihandelsvertrag. Die Kommission ist bereit, über Details bei der Umsetzung zu diskutieren, lehnt aber eine Neuverhandlung ab.

In London weiss man, dass die EU bei der Rolle des EuGH Zugeständnisse machen will. Der EuGH sei für die abschliessende Auslegung des EU-Rechts zuständig und daher unabdingbar mit Nordirlands Sonderstellung im EU-Binnenmarkt verbunden, erklärte ein EU-Beamter. Wer den EuGH weglassen wolle, der verliere auch die Binnenmarkt-Teilnahme. Gleichzeitig wirft Brüssel den Briten fehlenden Pragmatismus vor, da die praktischen Auswirkungen des EuGHs auf den Handel mit Nordirland sehr klein seien.

Denkbar ist, dass Frosts Grundsatzforderungen der Ausdruck einer Offensivstrategie im anlaufenden Verhandlungspoker sind. Manche Beobachter glauben aber auch, dass London eine Eskalation mit Brüssel provozieren will – auch um von den Versorgungsproblemen im eigenen Land abzulenken. Frost betonte mehrfach, die britische Regierung sei bereit, Artikel 16 des Nordirland-Protokolls zu aktivieren. Dieser Artikel erlaubt es den Vertragsparteien, bei schwerwiegenden politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Schwierigkeiten Teile des Protokolls unilateral ausser Kraft zu setzen.

Ein solcher Schritt hätte einen Rechtsstreit zur Folge und würde die Beziehungen auf breiter Front vergiften. In den Brexit-Streitschlichtungsmechanismen vorgesehen sind auch Retorsionsmassnahmen wie Strafzölle. Im Extremfall droht also ein Handelskrieg, der darauf hinauslaufen könnte, dass die 27 EU-Staaten das Brexit-Freihandelsabkommen künden. An einer Eskalation hat niemand ein Interesse, doch braucht es für eine Einigung politischen Willen auf beiden Seiten. NZZ, 14. Oktober 2021, S. 4


Die oberste Korruptionsjägerin der EU

Laura Kövesi wurden schon viele Steine in den Weg gelegt. Als die 48-Jährige einst Jura studierte und beschloss, Staatsanwältin zu werden, sagte man ihr, das sei nichts für Frauen. Sie tat es dennoch und wurde zu einer Ikone in Rumänien. 2006 ernannte man sie zur jüngsten Generalstaatsanwältin des Landes. 2013 wurde sie Leiterin der hochgeachteten Antikorruptionsbehörde DNA.

Dort angelangt, stach Kövesi in viele Wespennester. Ihre Ermittlungen führten unter anderem zum Sturz des ehemaligen Ministerpräsidenten Victor Ponta und zum Rücktritt des inzwischen inhaftierten Ex-Chefs der Sozialdemokraten Liviu Dragnea. Rumäniens Postkommunisten rächten sich, indem sie die Korruptionsjägerin ihrerseits mit Anklagen wegen Amtsmissbrauch und Bestechung überzogen und 2018 auf die Strasse setzten.

Kleinkriegen liess sich Kövesi nicht. Sie bewarb sich um den Posten der ersten Europäischen Generalstaatsanwältin und wurde 2019 in dieses Amt berufen – obwohl ihre eigene Regierung bis zuletzt versucht hatte, sie zu verhindern. Die EU sah darin eher eine Bestätigung, dass die Gewaltenteilung in Rumänien aus dem Ruder gelaufen war und Kövesi als unbeugsame Juristin für Europas erste unabhängige Strafverfolgungsbehörde genau die richtige Besetzung war.

Seit dem 1. Juni 2021 leitet Kövesi nun das European Public Prosecutor’s Office (Eppo), das gegen Korruption, Geldwäsche, Betrug mit EU-Finanzmitteln sowie grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrug vorgehen soll. Jahrelang hatten die Mitgliedstaaten um die Ressourcen und Befugnisse der neuen Institution gestritten. Bis heute, erklärt eine Sprecherin, sei man im Luxemburger Hauptquartier stark unterbesetzt. Von den 290 beantragten Stellen seien gerade einmal 130 bewilligt worden.

Das war sogar noch vor der Verabschiedung des EU-Haushalts und des 800 Milliarden Euro schweren Corona-Aufbaufonds im vergangenen Jahr, mit der die Bedeutung der europäischen Staatsanwaltschaft noch einmal gewachsen ist. Wo viel Geld zu verteilen ist, besteht auch die Gefahr, dass dieses in dunklen Kanälen versickert. Italiens Mafia, sagte die Polizeibehörde Europol warnend kürzlich, habe die Milliarden der EU fest im Blick. Es habe schon Vorbereitungen gegeben, Mafiafirmen in grossem Stil europäisch finanzierte öffentliche Aufträge zuzuschanzen.

Anfang Oktober 2021 äusserte sich Kövesi bei den Haushaltsanhörungen des EU-Parlaments über die Fortschritte ihrer Arbeit. Dabei wies die Rumänin erneut darauf hin, dass ihr derzeitiges Budget nicht ausreiche. Kövesi wunderte sich auch, dass die EU-Kommission die Mittel, mit denen das Eppo dringend benötigte Finanzanalysten und IT-Experten einstellen will, noch nicht freigegeben hat. Eine Erklärung lieferte die Kommission bisher nicht, auch eine Anfrage der NZZ blieb unbeantwortet.

Nach den ersten vier Monaten, berichtete Kövesi, seien bereits 350 Untersuchungen gegen Finanzbetrüger im Gange. Auf rund 4,6 Milliarden Euro wird der Schaden für die EU-Steuerzahler geschätzt. Kövesi erinnerte auch daran, dass ein Mitgliedstaat noch immer keine Staatsanwälte delegiert habe und so die Arbeit des Eppo behindere: «Slowenien mischt sich in die Funktion eines EU-Justizorgans ein. Das ist ein sehr gefährlicher Präzedenzfall», sagte Kövesi den Abgeordneten.

Neben der Generalstaatsanwältin und je einem Vertreter oder einer Vertreterin aus den Mitgliedstaaten ist die Rolle der 88 sogenannten delegierten Staatsanwälte, die nicht in Luxemburg, sondern an Ort und Stelle ermitteln, zentral. Sie gehören nach wie vor ihrer nationalen Justiz an, sind aber gegenüber dem Eppo weisungsgebunden, wenn sie in dessen Auftrag ermitteln. Ob ihre Arbeit dann zur Festnahme von Verdächtigen führt, müssen die nationalen Behörden entscheiden.

Kritiker halten dies für eine grosse Schwachstelle der Behörde, denn was, wenn Strafverfolger der Regierung willfährig sind und Anklagen des Eppo entsprechend ins Leere laufen? Polen und Ungarn, deren Gewaltenteilung beschädigt ist, nehmen allerdings gar nicht teil an der Europäischen Staatsanwaltschaft. Genauso wenig Irland, Dänemark und Schweden. Während Letztgenannte vor allem verfassungsrechtliche Vorbehalte gegen eine stärkere Integration im Justizbereich haben, ist die Verweigerung Polens und Ungarns aus Brüsseler Sicht besonders bitter, da es sich bei diesen Staaten ohnehin um die grössten Rechtsstaatssünder in der EU handelt.

Slowenien hat derzeit den rotierenden Ratsvorsitz der EU inne. Bei ihrem Besuch in Ljubljana im Sommer liess sich die EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen vom slowenischen Regierungschef Janez Jansa versichern, dass er rasch zwei Strafverfolger für das Eppo nominieren wolle. Zuvor hatte er sein Veto gegen zwei frühere Kandidaten eingelegt, die einst gegen ihn ermittelt hatten. Doch passiert ist seither nichts. «Wir müssen so arbeiten, als gäbe es unser Amt in Slowenien nicht», fasste Kövesi die Misere gegenüber den Abgeordneten zusammen. Der Korruption seien damit Tür und Tor geöffnet. NZZ, 15. Oktober 2021, S. 3


Die EZB-Gegner legen in Karlsruhe nach

Die Inflation steigt erheblich, die Wirtschaft im Euro-Raum brummt. Dennoch kauft die EZB weiter monatlich Staatsanleihen in Milliardenhöhe mit «gedrucktem» Geld. Das bringt ihre Gegner auf die Palme, sie legen vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe nach.

Die Kritiker der extrem expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) sehen sich durch die derzeitige makroökonomische Entwicklung im Euro-Raum bestätigt. Das gilt auch für Kläger vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht gegen das Pandemie-Anleihekaufprogramm (Pepp) der EZB. Für das Pepp stehen bis Ende März 2022 insgesamt 1,8 Bio. € zur Verfügung, wobei ein Grossteil der Summe bereits ausgeschöpft ist.

Entsprechend hat der Prozessbevollmächtigte Markus C. Kerber für eine Klägergruppe um den Wirtschaftsprofessor Johann Heinrich von Stein nun argumentativ in Karlsruhe nachgelegt: Die EZB überschreite mit dem Pepp in Zusammenhang mit weiteren laufenden Kaufprogrammen die Grenzen ihres Mandates «offensichtlich und schwerwiegend». Die Gruppe hatte am 4. März Verfassungsbeschwerde gegen das Pepp und die Politik der EZB eingelegt beziehungsweise gegen die Untätigkeit von Bundesregierung und Bundestag, dieser Politik entgegenzuwirken. Karlsruhe hatte bereits ein früheres Kaufprogramm der EZB als teilweise verfassungswidrig eingestuft und damit für einen in ganz Europa hörbaren Paukenschlag gesorgt.

Kerber, der selbst ausserplanmässiger Professor für öffentliche Finanzwirtschaft und Wirtschaftspolitik an der TU Berlin ist, sieht die Klage durch vier Entwicklungen bestätigt: die Dynamik der Inflationsrate in der Euro-Zone, die Dynamik der Konjunktur im Euro-Raum, den Anteil der von den europäischen Notenbanken erworbenen Staatsanleihen gemessen am Gesamtschuldenstand in der Euro-Zone sowie den mangelnden Willen von Bundesregierung und Bundestag, ihre Integrationsverantwortung im Hinblick auf das Wirken der EZB wahrzunehmen. Den Klägern stösst besonders auf, dass die Frankfurter Währungsbehörde auf die dynamische Entwicklung der Preissteigerung und des Wachstums nur mit einer sehr geringfügigen Minderung der Staatsanleihekäufe reagiert hat, wie sie in einem Schreiben ans Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe darlegen.

In der Euro-Zone ist die Inflationsrate jüngst deutlich über 3% gestiegen, im grössten Mitgliedstaat Deutschland liegt sie sogar über 4% – Tendenz jeweils weiter steigend. Die EZB selbst rechnet für 2021 mit einer Teuerungsrate von 2,2% und im kommenden Jahr mit 1,7%. Damit notiert die Rate etwa bei der von der EZB nachhaltig angestrebten Teuerung von 2%. Allerdings lag die EZB mit ihren Prognosen in der Vergangenheit oft deutlich daneben.

Zugleich ist das Wachstum in der Euro-Zone selbst aus Sicht der Notenbank sehr robust. Die EZB erwartet für dieses Jahr 5% Wirtschaftswachstum und in den beiden kommenden Jahren 4,6% und 2,1%. Zugutehalten muss man den Ökonomen der EZB jedoch, dass es sich dabei auch um eine Erholung nach dem starken Einbruch der Konjunktur wegen der Corona-Pandemie um 6,6% im Jahr 2020 handelt. Bis jetzt bewertet die EZB den Anstieg der Inflation als vorübergehend. Es gibt in der Wissenschaft aber immer mehr Stimmen, die vor der realistischen Gefahr einer anhaltend hohen Teuerung warnen.

In einer dem Schreiben an das Bundesverfassungsgericht beigefügten Studie von Bruno Schönfelder, Professor für Allgemeine Volkswirtschaftslehre an der TU Bergakademie Freiberg, kommt dieser zu dem Ergebnis, dass die Teuerung auch im nächsten Jahr deutlich über dem Ziel der EZB liegen könnte, womit eine Änderung der Inflationserwartungen drohe. Schönfelder plädiert dafür, dass die EZB auf derartige Anzeichen frühzeitiger und energischer reagieren sollte. Ähnlich hatte Mitte September 2021 auch der bekannte US-Ökonom John Cochrane in einem Beitrag für die Internet-Plattform Project Syndicate argumentiert.

Schönfelder meint, wegen der hohen Staatsverschuldung zahlreicher Mitgliedstaaten der Euro-Zone sei es für die EZB schwierig, eine mehrjährige Hochzinspolitik zum Brechen etwaig gestiegener Inflationserwartungen durchzuführen. Zudem würde es der EZB vermutlich nicht leichtfallen, Selbstverstärkungseffekte der Inflation etwa durch Zweitrundeneffekte oder einen Wiederanstieg des Geldschöpfungsmultiplikators abzuwehren.

Kerber und seine Mitstreiter sehen inzwischen eine fiskalische Dominanz im Euro-Raum als gegeben an, bei der die fiskalischen Interessen der Mitgliedstaaten die geldpolitischen Entscheidungen der EZB zunehmend dominieren. Wäre dies so, würde die Geldpolitik nicht länger der Fiskalpolitik Grenzen setzen, sondern umgekehrt dominierte die Fiskalpolitik aufgrund der enormen Verschuldung etlicher Mitgliedstaaten die geldpolitischen Massnahmen der EZB – was allgemein als inflationstreibender Zustand angesehen wird.

Länder wie Griechenland, Italien und Frankreich sind zum Teil mit über 200% oder deutlich über 100% der Wirtschaftsleistung verschuldet. Für sie könnten steigende Zinsen die Refinanzierung mittelfristig erheblich verteuern. Eine Studie mit dem Titel «The ECB Under the Threat of Fiscal Dominance – The Individual Central Banker Dimension» vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim kam im September 2021 sogar zu dem Ergebnis, dass das Verhalten der nationalen Notenbankpräsidenten im EZB-Rat gemessen am Verschuldungsgrad sehr stark den fiskalischen Interessen ihres Entsenderlandes entspricht.

Die Kläger um Kerber sehen keine Anzeichen, dass die EZB ihre Politik ändern und das Pandemie-Kaufprogramm nachhaltig zurückführen oder sogar beenden wird. Entsprechend befürchten sie eine Mutation der Notenbank zum dauerhaften Finanzierer der Mitgliedstaaten in der Euro-Zone. In diesem Prozess würden Vertreter der EZB Wissenschaft und Medien sogar gezielt über die eigentlichen Ziele und Zwecke der Ankaufpolitik in Gestalt des Pepp in die Irre führen, meint Kerber. Das Ziel der Notenbanker sei es letztlich, die Anleihekäufe volumenmässig aufrechtzuerhalten und entfristet fortzusetzen, um so die Refinanzierung einiger hochverschuldeter Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Damit habe die EZB ihr geldpolitisches Mandat endgültig verlassen und betätige sich im Bereich der nationalen Fiskalpolitik. NZZ, 26. Oktober 2021, S. 21


Schweizer Klage gegen die EU?

Was nun? Diese Frage zur Beziehungskiste Schweiz-EU stellen sich Politik und Wirtschaft in der Schweiz seit dem 26. Mai dieses Jahres. Damals hatte der Bundesrat das diskutierte Rahmenabkommen mit der EU beerdigt. Der Vertragsentwurf enthielt grosse Kröten für die Schweiz, und die Kosten des Verzichts auf ein Rahmenabkommen erschienen unter dem Titel «schleichende Erosion des EU-Marktzugangs» zu abstrakt, um entscheidend zu sein.

Doch ein Zufall des Kalenders wollte es, dass zumindest für eine bedeutende Branche in der Schweiz die Formel «schleichende Erosion» relativ rasch mit Inhalt gefüllt wird. Gemeint ist die stark wachsende Medizinaltechnik-Branche, die 2019 mit 63 000 Angestellten einen Umsatz von rund 18 Milliarden Franken erreichte. Zu den bekannten Produkten der Branche zählen unter anderem Diagnosegeräte, Implantate, Spitalausrüstungen, Zahnmedizingeräte, Hörhilfen und Insulin-Spritzen. Eine solche Branche sehen Wirtschaftspolitiker gerne: gut bezahlte Arbeitsplätze, hohe Wertschöpfung, viel Innovation, grosses Wachstumspotenzial.

Am besagten 26. Mai trat auch die neue EU-Regulierung zu Medizinprodukten in Kraft. Die Schweiz hatte ihr inländisches Recht an die EU-Regeln angepasst, doch die EU verweigerte wegen des Streits um den Rahmenvertrag die Erneuerung des bilateralen Abkommens zur gegenseitigen Anerkennung von Produktbescheinigungen in der Medizinaltechnik. Die Schweiz galt hier ab 26. Mai wieder als normaler «Drittstaat». In einer «Notiz» ergänzte die EU-Kommission, dass auch bei bereits am Markt eingeführten Schweizer Produkten die Bescheinigungen von helvetischen Zertifizierungsstellen per sofort nicht mehr anerkannt seien.

Das Leben als «Drittstaat» heisst zum Beispiel, dass Schweizer Hersteller mit EU-Exportinteressen einen Bevollmächtigten mit Niederlassung in der EU bestimmen müssen. Zudem brauchen Schweizer Exporteure Produktzertifikate von einer EU-Stelle sowie eine spezielle Etikettierung. Der Branchenverband Swiss Medtech schätzte die Zusatzkosten für die Branche auf einmalig 110 Millionen Franken plus jährlich 75 Millionen. Bei EU-Exporten von 5,5 Milliarden Franken (2019) entsprechen die jährlichen Zusatzkosten etwa 1,4 Umsatzprozenten. Das ist nicht der Untergang, aber spürbar.

Diesen Dienstag, den 19. Oktober 2021, hat der Medtech-Sektor am jährlichen Branchenkongress in Bern Zwischenbilanz zum EU-Theater gezogen. Die gute Nachricht: Die meisten Exporteure erfüllen nun dank Vorbereitungen in den letzten zwei Jahren die Zusatzanforderungen der EU. Rund 300 Schweizer EU-Exporteure haben laut Branchenangaben weiterhin gültige Produktzertifikate einer EU-Stelle. Die Exportprobleme beschränken sich derzeit auf jene 54 Schweizer Hersteller, deren Produktzertifizierung von der Schweizer Zertifizierungsstelle SQS stammen. Vor rund zwei Wochen hat die EU-Kommission laut Schweizer Angaben die SQS von der Liste der anerkannten Zertifizierungsstellen gestrichen.

Branchenexponenten erwägen deshalb laut dem Verband Swiss Medtech eine Klage gegen die EU-Kommission; Gespräche mit betroffenen Firmen seien im Gang. Nach Ansicht des Bundes und gemäss einem Rechtsgutachten wäre die EU verpflichtet, die schon am Markt eingeführten Produkte aus der Schweiz während einer Übergangsfrist bis 2024 ohne Zusatzbedingungen zuzulassen. Die EU-Kommission hat zwar laut Beobachtern mittlerweile die Mitgliedstaaten angewiesen, vorderhand keine Medtech-Importe aus der Schweiz mehr zu blockieren, doch die Rechtsunsicherheit ist gross und schreckt Kunden ab.

Ein europäisches Gerichtsurteil zu einer allfälligen Klage käme laut Branchenangaben voraussichtlich erst etwa in anderthalb Jahren und damit für die betroffenen Firmen zu spät; doch Branchenvertreter hoffen, dass eine eingereichte Klage eine Lösung in den kommenden technischen Gesprächen Schweiz-EU befördern könnte.

Kurzfristig das grösste Problem ist laut Swiss Medtech die Importseite – und dieses Problem habe sich die Schweiz selber eingehandelt. Der Bundesrat hatte im Mai als Reaktion auf die EU-Erschwernisse zusätzliche Regeln für Medizintechnik-Importe aus der EU beschlossen. So müssen EU-Hersteller nach einer Übergangsfrist bis spätestens Ende Juli 2022 unter anderem einen Bevollmächtigen in der Schweiz ernennen und Sondervorschriften für die Etikettierung erfüllen.

Swiss Medtech befürchtet aufgrund einer Branchenumfrage, dass etwa ein Achtel aller Medtech-Produkte aus der EU künftig nicht mehr in der Schweiz angeboten werden, weil sich für viele Anbieter die Zusatzkosten für den relativ kleinen Schweizer Markt nicht lohnten. Deshalb fehlten künftig rund 36 000 Produkte, was Operationen in den Schweizer Spitälern verzögere oder verunmögliche. Trotz markiger Worte («Skandal») mag die Sache nicht ganz so dramatisch sein, wie es klingt: Für viele der künftig fehlenden Produkte dürfte es laut Beobachtern valablen Ersatz geben; doch gewisse Ausfälle könnten gemäss Branchenvertretern für betroffene Patienten gravierend sein.

Der Branchenverband akzeptiert die Vorgabe des Bundesrats zu einem Schweizer Bevollmächtigten für Importeure aus der EU, damit bei allfälligen Haftungsfragen ein Zugriff im Inland möglich sei. Doch die Sondervorgaben zur Etikettierung seien «unverhältnismässig». Bundesvertreter betonen, dass die EU der Schweiz keinen Zugang mehr zur massgebenden EU-Datenbank gebe und die Zusammenarbeit der Schweiz mit den EU-Marktüberwachern gestrichen habe. Deshalb brauche es zur Sicherstellung zeitnaher Informationen über allfällige Probleme von Medtech-Produkten die verlangten Vorgaben zum Bevollmächtigten und zur Etikettierung. NZZ, 20. Oktober 2021, S. 1


Rechtsstaatlichkeit Polen: EU-Sanktionsdrohungen

Nach dem jüngsten Entscheid aus Polen, die Anwendbarkeit des EU-Rechtes ausserhalb dessen vertraglichen Grenzen nicht anzuerkennen, ist die Stimmung zwischen Warschau und dem EU-Parlament auf dem Tiefpunkt. Die EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen droht mit der Kürzung von Geldern. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki spricht von «Erpressung».

Mateusz Morawiecki wird gewusst haben, dass ihm in Strassburg ein scharfer Wind entgegenschlägt. Der polnische Ministerpräsident begab sich am Dienstag, 19. Oktober 2021, dennoch in die Höhle des Löwen, um vor den Abgeordneten des EU-Parlaments die umstrittenen Justizreformen seines Landes zu rechtfertigen.

Im Streit um die Rechtsstaatlichkeit verstehen die Europaabgeordneten keinen Spass – ausser es geht um die EU-Institutionen selber. Erst vor wenigen Tagen stimmten sie dafür, eine Untätigkeitsklage gegen die EU-Kommission anzustrengen, sollte diese nicht endlich den neuen Rechtsstaatsmechanismus gegen Polen anwenden. Mit ihm kann die Kommission seit Januar 2021 einem Mitgliedland die EU-Gelder streichen, wenn dort die gesetzesmässige Verwendung der EU-Gelder nicht gewährleistet ist. Dass eine EU-Institution eine andere wegen Untätigkeit verklagt, kommt höchst selten vor und ist an sich schon eine kleine Sensation.

Nach dem jüngsten Urteil des polnischen Verfassungstribunals, das den Vorrang des EU-Rechts ausserhalb der von den EU-Verträgen vorgegebenen Grenzen infrage stellt, machen aber nicht nur die Abgeordneten Druck. Auch einige Staats- und Regierungschefs sind bereit, den Streit mit Warschau eskalieren zu lassen. Er habe kein Problem damit, die polnischen Haushaltsmittel einzufrieren, liess der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte jüngst die Presse wissen.

Und so erlebte das Parlament in Strassburg am 19. Oktober 2021 eine maximal kämpferische Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Noch vor Morawiecki sollte die Deutsche das Wort ergreifen und damit das Rededuell eröffnen. «Wir können und wir werden es nicht zulassen, dass unsere gemeinsamen Werte aufs Spiel gesetzt werden», sagte sie. Das Urteil aus Warschau sei «eine unmittelbare Herausforderung der Einheit der europäischen Rechtsordnung», da nur eine gemeinsame Rechtsordnung in der EU gleiche Rechte, Rechtssicherheit und ein gegenseitiges Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten ermögliche. Die Kommission werde nicht zögern, zu handeln.

Konkret nannte von der Leyen die Möglichkeit, ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen zu eröffnen. Sie drohte aber auch mit der Anwendung des Rechtsstaatsmechanismus: «Die polnische Regierung muss uns jetzt erklären, wie sie angesichts dieses Urteils des Verfassungsgerichts die europäischen Gelder schützen will», so die Kommissionspräsidentin. Man werde in den kommenden Jahren mit dem Haushalts- und Konjunkturpaket 2,1 Billionen Euro investieren, dies sei das Geld der europäischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

Auch ein neues Artikel-7-Verfahren gegen Polen, das bis zum Entzug der polnischen Stimmrechte bei EU-Entscheidungen führen kann, brachte von der Leyen ins Spiel. Ein solches Verfahren, das von den Staaten einstimmig beschlossen werden muss, siecht allerdings schon seit Jahren vor sich hin, da sich Ungarn und Polen gegenseitig mit einem Veto schützen.

Morawiecki sprach im Anschluss von «Erpressung». Sein Land halte sich an geltende EU-Verträge, verteidige aber die Unabhängigkeit seiner Verfassung. «Die Kompetenzen der EU haben ihre Grenzen, wir können nicht länger schweigen, wenn sie überschritten werden», begründete der Ministerpräsident den Richterspruch aus Polen. Die Mitgliedstaaten müssten Instrumente haben, um auf die Erosion des nationalen Rechts zu reagieren. Wer anderen seine eigene Entscheidung aufzuzwingen versuche, handle erpresserisch, so Morawiecki. «So gehen Demokratien nicht vor.»

Der nationalkonservative Regierungschef zitierte auch aus Urteilen des Obersten Gerichtshofs in den Niederlanden, des französischen Verfassungsrats und des Bundesverfassungsgerichts, um seinen Standpunkt zu untermauern. Überzeugen konnte er die Abgeordneten damit nicht. «Durch Ihre Rede heute hier säen Sie Spalt und Streit in der Europäischen Union», warf ihm der EVP-Fraktionsvorsitzende Manfred Weber an den Kopf. Von einem «Angriff auf die Existenz der EU» sprach die Grünen-Fraktionschefin Ska Keller. Unterstützung erhielt Morawiecki von den beiden Rechtsfraktionen EKR und ID. Man wolle Polen in Wahrheit für seine Migrationspolitik bestrafen, sagte der Abgeordnete Nicolas Bay vom französischen Rassemblement national.

Wie der Konflikt, bei dem sich zwei diametral entgegengesetzte Rechtsauffassungen gegenüberstehen, gelöst werden könnte, ist völlig unklar. Aus Brüsseler Sicht stellt das europäische Recht auch ausserhalb der durch die Verträge gegebenen Bereiche die Geschäftsgrundlage der EU dar. Für Polen ist das Spannungsverhältnis zwischen nationaler Souveränität und EU-Recht schwer zu ertragen, weil es sich in bestimmten Feldern wie der Unabhängigkeit der Medien und Gerichte oder dem Abtreibungsrecht keine Vorgaben machen will.

Der französische Europaminister Clément Beaune erinnerte kürzlich an das Risiko eines De-facto-Austritts Polens aus der EU. Warschau habe bei seinem Beitritt einen Vertrag unterzeichnet, der vom polnischen Volk durch ein Referendum ratifiziert worden sei. Für Morawiecki steht ein «Polexit» gleichwohl nicht zur Debatte. Auch ein Grossteil der Bevölkerung in Polen bewertet die EU-Mitgliedschaft positiv.

Beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs am 21. und 22. Oktober 2021 steht der Konflikt mit Polen offiziell nicht auf der Tagesordnung. Vor allem Deutschland drückte bisher auf die Bremse. Die Klagedrohung des EU-Parlaments sei «betrüblich», sagte die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel. Von nur «vertieften Gesprächen» mit Warschau, wie sie Berlin präferiert, wollen die Niederlande, Luxemburg oder Dänemark jedoch nichts mehr wissen. NZZ, 20. Oktober 2021, S. 3


Brüsseler Seilziehen um Haushaltsdisziplin



Sollen die EU-Staaten die Corona-Schulden zurückbezahlen oder im weiter vorherrschenden Niedrigzinsumfeld vielmehr kräftig in den Klimaschutz investieren? Die von der EU-Kommission am Dienstag gestartete Diskussion birgt viel Konfliktpotenzial.

Wie viele Schulden dürfen es denn sein? Das ist die Frage, welche die EU-Kommission ihren 27 Mitgliedstaaten stellt. Denn während der Pandemie haben diese viel Geld in die Hand genommen, um ihre Volkswirtschaften vor dem Absturz zu bewahren. Das schlägt sich in einer deutlich höheren Verschuldung nieder. Machte der Schuldenberg in den 19 Ländern mit dem Euro 2019 im Durchschnitt knapp 84% des Bruttoinlandproduktes (BIP) aus, waren es Ende 2020 bereits 98%.

Das war auch möglich, weil die Kommission die unter dem Namen Maastricht-Kriterien bekannte Haushaltsdisziplin im Frühling 2020 vorübergehend ausgesetzt hat. Die gemeinsam vereinbarten Zielwerte von nicht mehr als 3% Haushaltsdefizit und maximal 60% Schulden im Vergleich mit dem BIP standen also den nationalen Rettungsaktionen nicht mehr im Wege. Doch nun stellt sich die Frage, wann die Regeln wieder in Kraft gesetzt werden.

Dazu gesellt sich eine weitere Problematik. Denn unmittelbar vor der Pandemie lancierte Brüssel bereits eine Diskussion zur Frage, wie diszipliniert die Mitgliedstaaten künftig ihre Haushalte zu führen haben. Der EU-Kommissar Valdis Dombrovskis bezeichnete die Regeln damals als «zu komplex» und als «schwer vermittelbar».

Nun greift die Kommission die Diskussion nach der krisenbedingten Auszeit wieder auf. Doch sollen nun die alten oder neue Vorgaben in Kraft gesetzt werden?

Es ist ein Thema mit viel Konfliktpotenzial. Grob vereinfacht gesagt möchte der Norden der EU, dass die Kommission die bestehenden Regeln strenger durchsetzt und Länder mit lockerer Haushaltspolitik oder hohen Schuldenbergen wie Italien stärker unter Druck setzt. Im Süden dagegen empfindet man die Kriterien als zu streng und zu wenig flexibel. Und das, obwohl Brüssel in der Vergangenheit gerade gegenüber Italien immer viel Nachsicht zeigte. Dazu kommt die Kritik, dass Investitionen in Umweltschutz und Digitalisierung erschwert würden.

Die Kernfragen lauten also, wie schnell die Schuldenberge verkleinert und ob gewisse Investitionen – etwa für Klimaschutz – von den Regeln ausgenommen werden sollen. Das wird in Deutschland derzeit im Zusammenhang mit der Schuldenbremse ebenfalls diskutiert.

Gemäss dem derzeit sistierten Wachstums- und Stabilitätspakt muss die Differenz zu der erlaubten Verschuldung von 60% über 20 Jahre abgetragen werden. Geht es weniger schnell, muss die Kommission einschreiten und für mehr Disziplin sorgen. Am Beispiel von Italien lässt sich illustrieren, welche Anstrengung von dem Land unter dem alten Regime nun gefragt wäre. Rom wird Ende 2021 grob geschätzt 2700 Mrd. € Schulden haben. Das entspräche 160% des BIP. Müsste der Staat nun die Differenz über 20 Jahre abbauen, ergäbe sich eine Belastung von jährlich etwa 85 Mrd. €. Das ist mehr als das BIP von Luxemburg. Würde man dafür die italienischen Gelder aus dem Aufbaufonds verwenden, sie wären in drei Jahren aufgebraucht.

Die Kommission hat nun viele Stellschrauben. Um Kritikern im Süden entgegenzukommen, könnte sie vorschlagen, die Schuldenobergrenze anzuheben, das Abbautempo zu verringern und auch in Zukunft höhere Defizite zu erlauben. Doch das Gremium will sich offensichtlich an dem Dossier nicht die Finger verbrennen und sondiert deshalb zuerst die Stimmung unter den Mitgliedstaaten.

Das ist das Ziel der am Dienstag, den 19. Oktober 2021, lancierten Vernehmlassung. Dabei hofft Brüssel, dass die Mitgliedstaaten wie in der Krise zügig zu einem Konsens finden. Doch das erscheint wenig realistisch.

Bis Ende Jahr sammelt Brüssel Reaktionen. Im ersten Quartal 2022 will die Kommission dann erläutern, wie aus ihrer Sicht die Fiskalpolitik in der EU gestaltet werden soll. In einer Mitteilung heisst es, dass Brüssel rechtzeitig vor 2023 «Orientierungen für mögliche Änderungen des Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung» geben wolle.

Mit anderen Worten: Es soll nicht an Brüssel scheitern, wenn die EU-Staaten bereits für 2023 neue Fiskalregeln haben wollen. Das ergäbe drei Optionen. Erstens könnten die Regeln weiter ausgesetzt werden – auch wenn das unwahrscheinlich erscheint –, zweitens liessen sich die alten Regeln reaktivieren, oder es würden drittens die revidierten Vorgaben in Kraft gesetzt. Doch Kritiker sagen, dass die Kommission dazu bereits jetzt einen konkreten Vorschlag hätte machen müssen und somit bereits zeitlich im Rückstand sei. Dombrovskis räumte denn auch ein, dass ein Abschluss des Gesetzgebungsprozesses vor 2023 extrem ambitioniert wäre.

Aus dem EU-Parlament gab es zunächst Kritik von unterschiedlicher Seite. «Sozialdemokraten und Grüne wollen die Stabilitätsregeln aufweichen und die permanente Schuldenunion», schrieb etwa Markus Ferber von der CSU auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Damit sei auch klar, was dem deutschen Steuerzahler im Rahmen einer Ampelkoalition blühen würde, ergänzte er.

Die Fiskalregeln verhinderten eine nachhaltige und generationengerechte Finanzpolitik, teilte Rasmus Andresen von den Grünen mit. Sie würgten Wachstum ab, verhinderten konsolidierte Haushalte und wichtige Investitionen. Die Grünen sprechen sich demnach für länderspezifische Empfehlungen aus. Eine Rückkehr zur Austerität würde dem Binnenmarkt schaden, so Andresen. NZZ, 20. Oktober 2021, S. 19


Der Bundesrat kann, kann, kann . . . (Covid)

Beim «Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie» fällt der inhaltsarme Gesetzestitel auf. Der Titel ist pleonastisch, denn was sollte ein Bundesgesetz anderes tun, als gesetzliche Grundlagen zu schaffen? Zudem muss ein Gesetz mehr leisten, als nur Verordnungen abzustützen.

Damit ist die Besonderheit angesprochen: Das Bundesgesetz will gar nicht – obwohl man das von jedem Gesetz erwartet – einen bestimmten Regelungsbereich gestalten. Es will lediglich gesetzliche Grundlagen für schon bestehende (Not-)Verordnungen schaffen. Das zeigt sich verschiedentlich. Das Gesetz ruft im Ingress die ungewöhnlich hohe Zahl von 16 Bundeskompetenzen an, mit denen es sich verfassungsmässig legitimieren will. Diese 16 Bundeskompetenzen lassen einen umfangreichen Erlass erwarten, der sich mit vielen Materien beschäftigt. Das ist nicht der Fall. Die 34 Gesetzesartikel bilden ein schmales Gesetz. Der Ingress des Covid-19-Gesetzes zeigt, dass es ein Kompetenzpaket schnürt. Die Bundesversammlung legt dieses Kompetenzpaket in die Hände des Bundesrates. Im Gesetz heisst es immer wieder «Der Bundesrat kann, kann, kann . . .».

Der Bundesrat hat das Kompetenzgeschenk angenommen, indem er am 7. Oktober 2020 die «Verordnung über die Abstützung der Covid-19-Verordnungen auf das Covid-19-Gesetz» erliess. Im Ingress bestehender Covid-19-Verordnungen strich er die Erwähnung von Art. 185 Abs. 3 der Bundesverfassung («Notrecht») und ersetzte sie durch das Covid-19-Gesetz als neue Kompetenzgrundlage.

Anschliessend erliess er gestützt auf dieses Gesetz zusätzliche (Abfederungs- und Eingriffs-)Covid-19-Verordnungen. Parlament und Bundesrat benützen die folgende Legitimationskette: 16 Verfassungsbestimmungen stützen das Covid-19-Gesetz, dieses wiederum hebt diese Kompetenzen hervor, ohne eigene Sachregelungen zu treffen, und überträgt die jeweilige Sachzuständigkeit auf den Bundesrat.

Der seltsame Gesetzestitel zeigt nicht nur einen juristischen Formalismus an, sondern offenbart ein undemokratisches Vorhaben. Die Bundesverfassung schreibt in Art. 164 den sachlichen Mindestinhalt von Gesetzen vor. Nach diesem Gebot sind «alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen», und als Beispiele werden die grundlegenden Bestimmungen über «die Einschränkungen verfassungsmässiger Rechte» oder die Festlegung der «Rechte und Pflichten von Personen» genannt.

Die Bundesversammlung ist verpflichtet, diese Regeln selbst aufzustellen. Sie darf diese Arbeit nicht auf den Bundesrat übertragen. Die Bundesgesetze dürfen keine inhaltsarmen Blankettgesetze sein. Die Vorschrift von Art. 164 sichert die Demokratie: Es ist das vom Stimmvolk gewählte Parlament, das die wichtigen Gesetzesinhalte diskutiert, ausarbeitet und verabschiedet. Anschliessend unterstehen diese Normen dem Referendum. Das Covid-19-Gesetz gestattet es, den demokratischen Weg erheblich abzukürzen. Es überspringt die Bundesversammlung und damit die Referendumsdemokratie.

Das Covid-19-Gesetz verletzt ferner Art. 185 der Bundesverfassung über die verfassungsunmittelbaren Verordnungen. Diese stehen im Rahmen der Bundesverfassung und unter begrenzenden Voraussetzungen dem Bundesrat zu. Die Bundesversammlung ist nicht befugt, diese Bestimmung mit einem blossen Bundesgesetz zu erweitern, vielmehr bedürfte dies einer Verfassungsrevision.

Das Gesetz übergeht den Verfassungsgeber und damit Volk und Stände. Der Titel des Covid-19-Gesetzes dokumentiert ein substanzielles Versagen der Bundesversammlung. Sie nimmt ihre Kernaufgabe, die Gesetzgebung, nicht ernst. Das demokratisch gewählte höchste Organ des Bundes hat mit dem Covid-19-Gesetz und seinen Änderungen zwei wichtige Artikel der Bundesverfassung missachtet und die schweizerische Demokratie grob beschädigt.

Die Demokratie gibt den Stimmbürgern politische Rechte, die sich in Wahlen und Abstimmungen materialisieren. Die demokratische Staatsform benötigt verlässliche und faire Verfahrensregeln, welche die Verfassung festlegt. Diese hat «das Volk in Zeiten kühler Überlegung angenommen», und die Verfassung verkörpert dadurch «Freiheit und Selbstbeherrschung». In «Augenblicken der Übereilung und der Erregung» bilden diese Maximen eine feste Leitlinie (James Bryce).

Die demokratischen Verfahrensregeln erfordern Zeit für Debatten und schützen die «Schwachen gegen die Starken». Dadurch halten sie «den einen auf und lassen dem andern Zeit zur Besinnung» (Alexis de Tocqueville). Es ist notwendig, die Mehrheit der Parlamentarier an diese demokratischen Grundsätze zu erinnern. Andreas Kley, Professor für öffentliches Recht, Verfassungsgeschichte sowie Staats- und Rechtsphilosophie an der Universität Zürich. NZZ, 20. Oktober 2011, S. 17


Schweiz und EU-Militärprojekt Pesco

Mit ihrer «Verteidigungsinitiative» Pesco will die EU unabhängiger von der Nato werden. Das Projekt ist ehrgeizig, manche hoffen auf eine Europa-Armee. Da wäre die Schweiz wohl nicht mit von der Partie. Sie lässt aber derzeit eine Kooperation als Drittstaat prüfen, wie die Bundesrätin Viola Amherd in Brüssel preisgab.

In ihrer Sicherheits- und Verteidigungspolitik wollen die Europäer «den Fünfer und das Weggli»: Man möchte einerseits die Zusammenarbeit mit den Amerikanern «erneuern» und sich auf die Abschreckungsmacht der Nato verlassen können. Andererseits soll die EU strategisch unabhängig werden und zum Beispiel fähig sein, eine Evakuierungsmission wie kürzlich in Afghanistan auch selbst zu organisieren.

Die perfekte Übersetzung dieses Interessenkonflikts ist die «Verteidigungsinitiative» Pesco. Das steht für «permanente strukturierte Zusammenarbeit» und bedeutet zunächst einmal, dass die EU-Staaten versuchen, ihre Kräfte zu bündeln und gemeinsame «Fähigkeiten» zu entwickeln. So richtig gut klappt das bisher allerdings immer nur dort, wo auch die Amerikaner mit von der Partie sind. Eine Zusammenarbeit mit Drittstaaten wie den USA, Kanada und Norwegen, die alle Nato-Mitglieder sind, ist sogar ausdrücklich erwünscht.

Könnte auch die Schweiz als Nicht-EU- und Nicht-Nato-Staat an einzelnen Pesco-Projekten teilnehmen? Sie könnte, und sie will auch, wie die Schweizer Verteidigungsministerin Viola Amherd in Brüssel preisgab. Man prüfe, welche Beteiligungsmöglichkeiten es als Drittstaat gebe und inwieweit diese von Interesse für die Schweiz seien, berichtete die Bundesrätin.

Amherd war wegen eines Treffens mit ihren europäischen Amtskolleginnen und Amtskollegen nach Brüssel gekommen, die sich allesamt am sogenannten Rahmennationenkonzept beteiligen. Hinter dem sperrigen Begriff steht ein weiterer Versuch, militärische Fähigkeiten multinational zu bündeln. Für Deutschland, das das Konzept initiierte, geht es darum, eine «Armee der Europäer» zu schaffen. Auch die Pesco, so träumen einige in der EU, soll langfristig zu diesem Ziel führen.

So weit würde die Schweiz wohl kaum gehen. Amherd lobte aber in Brüssel das Rahmennationenkonzept als eine Plattform, die den Multinationalismus im Bereich der Sicherheit und Verteidigung fördere. Für Staaten wie die Schweiz, die keinem Bündnis angehörten, seien solche Kooperationen besonders wichtig. Als Beispiele sinnvoller Zusammenarbeit nannte Amherd den Logistikbereich, die Sanität oder den Schutz vor ABC-Waffen.

Wären dies auch die Themenfelder, die im Rahmen einer Pesco-Beteiligung für Bern infrage kämen? Hierzu wollte sich die Bundesrätin nicht näher äussern. Sie erwähnte aber, dass etwaige gesetzliche Anpassungen nicht notwendig seien. Auch stelle die militärische Partnerschaft mit der EU keineswegs das Neutralitätsgebot der Schweiz infrage, da von Truppeneinsätzen nicht die Rede sein könne.

Am Rande eines Nato-Treffens sprach die Schweizer Verteidigungsministerin auch mit ihrer deutschen Amtskollegin Annegret Kramp-Karrenbauer, die sie nach Brüssel eingeladen hatte. Dabei war Amherd voll des Lobes für die logistische Unterstützung der Deutschen während der Afghanistan-Krise. Die deutsche Luftwaffe hatte mit Airbus-A440-Transportmaschinen auch Schweizer Staatsbürger ausgeflogen. Ein eigenes Transportflugzeug habe und brauche die Schweiz nicht, sagte Amherd. Man habe den Bedarf unlängst geprüft.

Kramp-Karrenbauer habe auch Verständnis aufgebracht für den Beschluss des Bundesrates, F-35-Kampfflugzeuge aus den USA und nicht Rafale-Jets aus Frankreich zu kaufen. Viele europäische Länder, nicht nur die Schweiz, hätten eine technische, nicht politische Entscheidung für das amerikanische Modell getroffen, obendrein würden die Maschinen in Italien hergestellt. Mit ihrer französischen Amtskollegin Florence Parly traf Amherd in Brüssel nicht zusammen. Die Beziehungen seien aber völlig unbelastet, auch nach dem Kampfjet-Entscheid, versicherte die Bundesrätin. NZZ, 22. Oktober 2021, S. 9


Polens Kohle befeuert Konflikte mit der EU

Polen produziert einen grossen Teil seines Stroms in Kohlekraftwerken. Damit gerät es in einen weiteren Konflikt mit der EU. Finanziell steckt die Kohleindustrie in einer schwierigen Lage – die Regierung hilft mit einer Art Bad Bank.

Welch lenkende Wirkung ein hoher CO2-Preis im europäischen Emissionshandel entfaltet, sieht man gerade am Beispiel von Polens Energieunternehmen. Bei den drei grossen Anbietern PGE, Tauron und Enea beruhen zwischen 70 und 85% der Energieproduktion auf Braun- und Steinkohle. Diese rentiert aber kaum mehr, nachdem der Preis für eine Tonne CO2 auf 60 € gesprungen ist und sich somit seit 2017 rund verzwölffacht hat.

Die Zertifikate, um den CO2-Ausstoss abzugelten, sind für die Unternehmen eine schwere Last geworden. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki möchte denn auch den Preisdruck, der von den Emissionszertifikaten ausgeht, reduzieren, wie er am Herbstgipfel 2021 der EU sagte. Polens Energiefirmen laufen Gefahr, finanziell auszubluten, vor allem wenn der CO2-Preis weiter steigt, wie gewisse Energieexperten erwarten.

Für Polen wäre das eine Katastrophe, denn die drei Anbieter sind Grossfirmen und für das Land «too big to fail». PGE beispielsweise, Europas grösstes Kohlebauunternehmen, hat über 40 000 Angestellte und versorgt mehr als 5 Mio. Haushalte und Firmen mit Strom.

Kurzfristig hat Polen für das Problem des drohenden Bankrotts seiner Energiefirmen im Sommer eine Lösung gefunden: Die drei Unternehmen werden einen grossen Teil der Kohleförderung und der Kraftwerke, die den Brennstoff verbrauchen, an eine eigens gegründete Einheit in Staatsbesitz auslagern. Diese fungiert als eine Art Bad Bank für ein Geschäft, das viele Orte kulturell und gesellschaftlich geprägt hat, das nun aber kein privater Geldgeber mehr betreiben will.

Die privaten Investoren der Kohleanbieter jedenfalls, die etwa an PGE einen Anteil von 43% halten, sind erleichtert, dass ein solches Konstrukt zustande kommen wird. Jüngst sind die Aktienkurse der Firmen wieder gestiegen; diese können die Transformation hin zu erneuerbaren Energieformen verstärkt weiterführen, sobald die Transaktion mit dem Staat abgeschlossen ist.

Neben dem hohen CO2-Preis dürfte die teilweise private Investorenschaft der zweite Grund für den eingeleiteten Kohleausstieg sein. «Es ist ein Glück, dass die Aktien der Unternehmen kotiert sind», sagt Robert Maj vom Warschauer Aktienbroker Ipopema Securities. Das setzt sie einem gewissen Druck von Geldgebern aus.

Viele von Polens staatsnahen Betrieben gelten nämlich als schlecht geführt, weil sie auch als Auffangbecken für die Klientel der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) dienen. Gerade der Chef des Branchenführers PGE geniesst aber bei den Investoren einen guten Ruf und verfolgt einen Kurs unabhängig von der Regierung.

Langfristig betrachtet ist das Problem der verpönten Energiequelle Kohle mit der Auslagerung an den Staat allerdings nicht gelöst; dieser wird die Verluste des Geschäfts tragen müssen und dadurch mit der EU in einen Konflikt geraten. Immerhin will der Staatenbund mit dem Programm «Fit for 55» erreichen, dass die Länder den Ausstoss von Treibhausgasen bis 2030 stark reduzieren. Bis 2050 strebt er gar die Klimaneutralität an.

Aber Polen kann es sich vorerst schlicht nicht leisten, dem Energieträger Kohle zu entsagen. Zwischen 70 und 80% des Stroms stammen aus Kraftwerken, die entweder Stein- oder Braunkohle verbrennen. Dieser in Europa einmalig hohe Anteil wird zwar automatisch sinken, weil gewisse Minen mit den Jahren erschöpft sein werden. PGE will etwa den grossen Komplex Belchatow voraussichtlich bis spätestens 2036 schrittweise stilllegen.

Noch fördert das Unternehmen dort aber in grossem Stil Braunkohle im Tagebau und produziert gleich an Ort etwa 20% des polnischen Stroms. In rund 15 Jahren wird aber keine Kohle mehr vorhanden sein; PGE will dann das Gelände mit einem See und einem Jachthafen wiederbeleben.

Trotzdem wird es dem Land vorerst nicht gelingen, die Energiepolitik mit der Klimastrategie der EU in Einklang zu bringen – weil es zum Energieträger Kohle eben kaum Alternativen gibt. Die grossen Energieunternehmen haben zwar Pläne, wie sie etwa die Windenergie auf dem Land und auf dem Meer (on- und offshore) forcieren möchten. Aber das sind eher langfristige Vorhaben. Und Wasserkraft hat im Unterschied zur Schweiz oder zu Österreich in Polen keine Bedeutung.

Daher hat die Regierung die Absicht, Atomkraftwerke zu bauen. Solche gibt es in Polen bis jetzt nicht. Noch unter kommunistischer Herrschaft war mit der Planung eines Atomkraftwerks begonnen worden; Proteste der Bevölkerung verhinderten aber dessen Fertigstellung.

Auch heute dürfte ein solches Vorhaben auf starken Widerstand stossen. Energieprojekte haben es in Polen wie in jedem europäischen Land generell schwer. In der Nähe der Stadt Lodz hätte beispielsweise eine neue Tagebaumine für Braunkohle entstehen sollen. Die Anwohner wehrten sich jedoch gegen das Projekt, und vor kurzem ist es von PGE endgültig aufgegeben worden. Das Umweltbewusstsein nehme auch in Polen zu, sagt Maj von Ipopema Securities. «Den Leuten wird bewusst, dass etwas passieren muss.»

Trotzdem will die Regierung mangels realistischer und finanzierbarer Alternativen bis 2049 am Energieträger Kohle festhalten. Damit verstrickt sich das Land aber in einen weiteren Konflikt mit der EU. Klimaneutralität, wie das der Staatenbund bis 2050 anstrebt, heisst nämlich: Es gilt, sämtlichen CO2-Ausstoss zu kompensieren – entweder mit technischen Lösungen oder mittels Absorption durch Wälder. Zumindest aus heutiger Sicht scheint das im Fall von Kohle unmöglich zu sein.

Hinzu kommt, dass Polen die Energiegewinnung aus Kohle wird subventionieren müssen. Sie ist nicht wettbewerbsfähig, und die Regierung will den Konsumenten keine starke Strompreiserhöhung zumuten.

Aber die EU wird es dem Land kaum erlauben, den Kohleabbau grosszügig zu unterstützen und so den Wettbewerb zu verzerren. Die Spannungen zwischen den beiden Parteien werden daher weiter zunehmen: Polen kann sich die rasche Transformation nicht leisten, während die EU bei der Klimapolitik unbedingt ein globaler Vorreiter sein will. NZZ, 22. Oktober 2021, S. 23


EU-CH-Streit um Kohäsionsmilliarde

Der Streit um die zweite Kohäsionsmilliarde ist noch nicht zu Ende: Die EU will die Schweiz darauf festlegen, dass der Beitrag der Preis für den Zugang der Schweiz zum Binnenmarkt ist. Erst wollte das Schweizer Parlament die Kohäsionsmilliarde als Druckmittel gegen die EU benutzen. Dann – im September – hat es die Gelder in der Hoffnung freigegeben, die EU würde die Schweiz wieder zum Forschungsprogramm Horizon Europe zulassen. Doch die EU will mehr. Wichtiger als die rasche Auszahlung der Gelder ist ihr eine Regelung für die Zukunft: Die EU fordert, dass sich die Schweiz auf regelmässige Kohäsionszahlungen verpflichtet und den Beitrag klar als Preis für die Teilnahme am Binnenmarkt deklariert. Eine entsprechende Regelung will die EU-Kommission im Memorandum of Understanding verankern, auf dessen Basis die zweite Kohäsionsmilliarde an die einzelnen Länder ausbezahlt werden soll. Für die Schweiz geht es um einen autonomen Beitrag, der an EU-Staaten ausbezahlt wird. Sie möchte im Memorandum of Understanding lediglich die Auszahlungsmodalitäten regeln, wie schon bei der ersten Kohäsionsmilliarde: die Aufteilung der Gelder auf die Partnerländer, die thematischen Prioritäten sowie gewisse Prinzipien der Umsetzung. «Das Memorandum of Understanding soll die inhaltliche Grundlage für die erforderlichen bilateralen Umsetzungsabkommen mit den Partnerländern bilden», schreibt das Aussendepartement (EDA) auf Anfrage.

Die EU möchte über das Technische hinausgehen. Sie beharrt auf der Formulierung, dass der Kohäsionsbeitrag der Preis für den Zugang zum Binnenmarkt ist. Auch will sie eine Klausel einbauen, wonach die Zahlungen der Schweiz angepasst an den siebenjährigen EU-Finanzrahmen erfolgen sollen, also regelmässig. Einen Mechanismus für regelmässige Zahlungen, wie sie auch Norwegen leistet, wollte die EU schon im institutionellen Rahmenabkommen verankern. Nach dessen Scheitern soll die Schweiz nun zumindest eine Absichtserklärung abgeben.

Die EU-Kommission hat die Mitgliedsländer über den Stand der Dinge informiert. Polen, Ungarn, Litauen, Lettland, die Slowakei, Estland und Griechenland hätten bei dem Treffen die Position der EU-Kommission unterstützt, heisst es in Brüssel. Es sind alles Länder, die von Schweizer Kohäsionszahlungen profitieren würden. Doch auch Frankreich stellt sich hinter den harten Kurs. Die Schweiz hatte Paris zuletzt mit dem Entscheid für das US-Kampfflugzeug F-35A und gegen den französischen Rafale verärgert.

Auf der anderen Seite drängten Deutschland, Österreich, die Niederlande und Finnland die EU-Kommission, möglichst rasch mit der Schweiz Gespräche über die Assoziierung ans Forschungsprogramm Horizon aufzunehmen. Schliesslich habe die Schweiz den Kohäsionsbeitrag im September ohne Bedingungen freigegeben.

Aus Sicht der EU-Kommission reicht dies aber nicht. Die Freigabe des Kohäsionsbeitrags heisse nicht, dass die Schweiz jetzt automatisch beim EU-Forschungsprogramm wieder mitmachen könne. Die Schweiz schulde den Beitrag seit 2012. Und institutionelle Fragen wie die Streitschlichtung oder die Staatsbeihilfen hätten sich nicht «in Luft aufgelöst». Bundesrat Ignazio Cassis hat um einen Termin bei Mario Sefcovic angefragt, dem Vizepräsidenten der EU-Kommission.

Doch was geschieht, wenn sich die Schweiz und die EU nicht auf ein Memorandum of Understanding einigen können? Wozu braucht es dieses überhaupt, wenn doch die Schweiz die Auszahlung der Gelder bilateral mit den einzelnen Ländern regelt?

Die EU-Kommission möchte die Hoheit behalten. Sie will, dass die Auszahlung über ein Memorandum of Understanding geregelt wird, wie sie gegenüber den Ländern deutlich machte. Und die Schweiz hat ein Interesse daran, die Zahlungen im Einverständnis mit der EU zu regeln. Sollte jedoch kein Memorandum of Understanding zustande kommen, könnte die Schweiz die Zahlungen auch bilateral regeln – mit jenen Ländern, die gegen den Willen der EU-Kommission dazu bereit sind. Allerdings wäre das für die angestrebte Normalisierung der Beziehungen zur EU wohl keine gute Lösung.

Das EDA schreibt, mit dem Parlamentsentscheid vom September lägen die nötigen Grundlagen vor, um Verpflichtungen unter den Rahmenkrediten eingehen zu können. Dafür müssten bilaterale Umsetzungsabkommen mit den Partnerstaaten abgeschlossen werden. Der Bundesrat strebe aber den baldmöglichsten Abschluss eines rechtlich nicht verbindlichen Memorandum of Understanding mit der EU an. «Mit diesem soll ein gemeinsames Verständnis etabliert werden, wie der zweite Schweizer Beitrag in den Partnerländern rasch umgesetzt werden kann.»

Es geht um 1,3 Milliarden Franken, die über zehn Jahre ausbezahlt werden sollen. Der grösste Teil ist für Projekte in Osteuropa vorgesehen. 200 Millionen sollen an Staaten gehen, die besonders von Migration betroffen sind.

Ein rechtlicher Zusammenhang zwischen dem Beitrag und dem Schweizer Zugang zum EU-Binnenmarkt bestehe nicht, hält das Aussendepartement fest. «Es ist aber nicht neu, dass der Schweizer Beitrag von der EU und den EU-Mitgliedstaaten auf politischer Ebene auch in den Kontext des Marktzugangs gesetzt wird.»

Zur Forderung nach regelmässigen Zahlungen äussert sich das EDA nur indirekt. Es schreibt, mit dem Parlamentsentscheid vom September sei ein zweiter Beitrag freigegeben worden. Die Frage nach einem weiteren Beitrag müsse «zum gegebenen Zeitpunkt» im Lichte der zukünftigen Gesamtbeziehungen beurteilt werden. Der Bund, 25. Oktober 2021, S. 7


Saftiger Strafzahlung für Polen

Seit Monaten ignoriert Polen Beschlüsse des höchsten EU-Gerichts. Für jeden Tag, an dem die Luxemburger Urteile weiter missachtet werden, soll Warschau nun eine Million Euro zahlen.

Zwischen Polen und der EU läuft es gerade nicht besonders. Während Brüssel Milliarden von Euro zurückhalten will, die Warschau für die Post-Corona-Reparaturarbeiten zustehen, schwadronierte Mateusz Morawiecki jüngst vom «Dritten Weltkrieg», den die EU gegen Polen plane. Dagegen werde sich sein Land natürlich mit allen Mitteln verteidigen, so der Ministerpräsident in einem Interview mit der «Financial Times».

Die martialische Sprache zeigt, dass Warschau die Drohung der Kommission ernst nimmt, jedoch auch keinerlei Anstalten zeigt, im Konflikt um die strittigen Justizreformen der PiS-Regierung einzulenken. Der EU-Gerichtshof (EuGH), der dem Land seit langem die Leviten liest, überschreite seine Kompetenzen, findet man in Polen. Warum sich also den höchstrichterlichen Entscheidungen aus Luxemburg beugen?

Das oberste EU-Gericht, bisher völlig unbeeindruckt von derlei Beschwerden, setzte am Mittwoch, den 27. Oktober 2021, noch einen drauf und verdonnerte Polen zu einer saftigen Strafzahlung. Eine Million Euro soll das Land nun jeden Tag in den gemeinsamen Haushalt nach Brüssel überweisen, da es sich unbeirrt weigere, Urteile des Gerichtshofs auf einem Gebiet umzusetzen, das ausserhalb der EU-Verträge liegt.

Konkret geht es in diesem Fall um die sogenannte Disziplinarkammer, die die polnische Regierung eingeführt hat, um Richter, die ihr nicht genehm sind, zu bestrafen. Der EuGH hält die Kammer für unvereinbar mit der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz und hat Polen im Juli 2021 aufgefordert, sie abzuschaffen. Das hat Warschau zwar widerwillig versprochen. Passiert ist bis jetzt jedoch nichts.

Und so wurde die Kommission tätig. «Die Justizsysteme in der gesamten Europäischen Union müssen unabhängig und fair sein», sagte die Kommissionschefin Ursula von der Leyen im September 2021 – was Polens Justizminister Zbigniew Ziobro sogleich als «Aggression gegen Polen» und «juristischen hybriden Krieg» übersetzte.

Dem Antrag der Kommission gab der EuGH nun statt. Erforderlich sei die Strafe, um einen «schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden» von der Rechtsordnung der EU und den Werten, auf denen diese Union beruhe, abzuwenden, teilte der Vizepräsident des Gerichtshofs in der Urteilsbegründung am Mittwoch, den 27. Oktober 2021 mit. Polen dürfe die Einhaltung des EU-Rechts nun nicht noch weiter hinauszögern. Zu beachten dabei ist, dass die Rechtsordnung der EU weder demokratisch ist noch die Gewaltentrennung achtet.

Das Zwangsgeld ist nicht das erste seiner Art: Bereits im September 2021 war Polen wegen des Braunkohleabbaus Turow im Dreiländereck Polen-Deutschland-Tschechien vom EuGH zu einer Geldstrafe von 500 000 Euro pro Tag verurteilt worden. Tschechien hatte zuvor gegen den Weiterbetrieb des Tagebaus geklagt, weil es Auswirkungen auf die Trinkwasserqualität in der Region fürchtete. Trotz einer einstweiligen Anordnung aus Luxemburg weigerte sich Polen jedoch, den Abbau zu stoppen.

2017 verhängte der EuGH in einem ähnlich gelagerten Fall ein Strafgeld von 100 000 Euro pro Tag gegen Polen, nachdem es sich geweigert hatte, ein Abholzungsverbot in einem Naturschutzgebiet zu respektieren. Die PiS-Regierung schien immerhin in diesem Fall einzulenken. Sie stellte die Rodungen zumindest vorübergehend ein.

Wird das jüngste Urteil Polen beeindrucken? In einer ersten Reaktion wies Warschau die Strafe als «Erpressung» zurück. Man habe es mit einer weiteren Etappe der Operation zu tun, «die Polen den Einfluss auf seine Staatsform wegnehmen soll», schrieb der Vizejustizminister Sebastian Kaleta am Mittwoch auf Twitter. Freiwillig, so ist zu vermuten, wird die polnische Regierung der Zahlungsaufforderung kaum nachkommen. Denkbar aber ist, dass die EU-Kommission das tägliche Bussgeld von den regulären Haushaltsmitteln abzieht, die Polen zustehen. NZZ, 28. Oktober 2021, S. 2


EU-Banken erhalten mehr Zeit

Die Banken in der EU benötigen voraussichtlich weniger Kapital als zunächst vermutet, um die strengeren Kapitalvorgaben nach Basel III zu erfüllen. Dennoch will die EU-Kommission die Übergangsfrist wegen der Pandemie weiter hinauszögern als ursprünglich vorgesehen. Banken halten die Regeln aber auch so für zu streng. Die EU-Kommission will die Banken im Binnenmarkt neben den Covid-19-Turbulenzen nicht zu stark mit zusätzlichen Kapitalvorschriften unter Druck setzen. Deshalb sollen die Geldhäuser zwei Jahre mehr für die Umsetzung der strengeren Basel-III-Vorgaben erhalten. Das gab die Kommission am Mittwoch, den 27. Oktober 2021, in Brüssel bekannt.

Carolyn Rogers, die Generalsekretärin des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht, hatte Anfang Woche diese Pläne der EU in der «Financial Times» kritisiert. Der global vereinbarte Zeitplan für die Umsetzung sei wichtig, sagte sie. Wenn die EU davon abweiche, dann folgten unter Umständen andere Länder, und mit einer uneinheitlichen Anwendung ergäben sich nicht gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle betroffenen Banken.

Der entsprechende Termin war wegen der Pandemie bereits um ein Jahr von 2022 auf 2023 verschoben worden. Die EU will ihren Banken nun Zeit bis 2025 geben. Die vollständige Umsetzung erfolgt so bis 2030.

Die zuständigen EU-Kommissare, Valdis Dombrovskis und Mairead McGuinness, sagten am 28. Oktober 2021 vor den Medien, dass sie lediglich realistisch seien in Bezug auf die Dauer des Gesetzgebungsprozesses in der EU. Zudem werde es dazu auf internationaler Ebene wohl noch viele Diskussionen geben.

Der jüngste Teil der Vorschriften von Basel III fokussiert auf die Risikogewichtung der Vermögenswerte von Banken. Die betroffenen Unternehmen können dafür entweder ein Standard-Modell anwenden oder ein intern entwickeltes Schema benutzen.

Kapitalvorschriften geben Banken im Wesentlichen vor, mit wie viel Eigenkapital sie ihre Vermögenswerte unterlegen und damit quasi absichern müssen. Das ist je nach Risiko unterschiedlich. Um die Eigenkapitalquote zu berechnen, setzt man das Eigenkapital ins Verhältnis zu den risikogewichteten Vermögenswerten. Je kleiner man nun Letztere berechnet, desto weniger des «teuren» Eigenkapitals braucht es tendenziell.

Weil das massgeschneiderte Modell wenig überraschend in der Regel von grossen Banken für geringere Risikogewichtungen genutzt wird, soll dieses nun strenger reguliert werden. So ist ein sogenannter «Output-Floor» vorgesehen. Dieser «Boden» bedeutet, dass die hausgemachte Gewichtung maximal 27,5% kleiner sein darf als das, was aus dem Standard-Modell resultiert. An diesem «Single-Stack»-Modell haben die Banken aber wenig Freude. Sie möchten ein «Parallel-Stack»-Modell. Das bedeutet vereinfacht gesagt, dass zusätzliches von den Regulatoren verlangtes Eigenkapital – etwa für systemrelevante, grosse Banken – angerechnet werden darf. NZZ, 28. Oktober 2021, S. 19


Streit London-Paris um Fischereirechte

Frankreich hat zwei britische Fischerboote gestoppt, die ohne Genehmigung in französischen Gewässern gefischt haben. London bestellt daraufhin die französische Botschafterin ein. Doch Paris droht bereits mit einer weiteren Eskalation.

Aus der Ferne betrachtet geht es nur um ein paar Lizenzen mehr oder weniger für die Fischkutter aus der EU, die in britischen Gewässern im Ärmelkanal auf Fang gehen. Was im Kontext der Brexit-Verhandlungen eigentlich bloss kleine Fische sein sollten, hat sich jedoch zu einem wichtigen Streitpunkt entwickelt. Denn für viele Fischer in der Normandie geht es um die Existenz, falls sie die versprochenen Lizenzen nicht erhalten. Einige Fischer im Hafen von Boulogne sagen, sie hätten seit April einen Umsatzeinbruch von 50 Prozent erlitten. Die Regierung in Paris steht daher unter Druck. In der Debatte geht es längst nicht mehr nur um Fische, sondern um das nationale Prestige. Alte Ressentiments gegen die Briten werden hochgespielt.

Im Zentrum des Streits steht das bei den Brexit-Verhandlungen nach langem Hin und Her gewährte Recht von Fischkuttern aus EU-Staaten, in den 6- bis 12-Meilen-Zonen um die britischen Inseln im Ärmelkanal – insbesondere Jersey und Guernsey – auf Fang zu gehen. Von britischer Seite heisst es, 98 Prozent der französischen Gesuche seien bereits positiv beantwortet worden. Paris dagegen meint, die Briten hätten von den 2127 aus der EU eingereichten Gesuchen nur 90 Prozent bewilligt.

Die französische Fischereiministerin Annick Girardin ist ebenso wie Europaminister Clément Beaune der Meinung, dass die Fischer aus der Normandie in London besonders benachteiligt würden. Dazu entgegnen die Behörden auf der anderen Kanalseite, manche der französischen Anträge seien in «ungenügender Weise» ausgefüllt worden. Die Fischer müssen unter anderem belegen, dass ihre Kutter schon vor dem Brexit in den jeweiligen Zonen tätig waren.

Nachdem Europaminister Beaune der britischen Seite wegen ihrer phlegmatischen Bearbeitung der französischen Forderungen mehrfach Retorsionsmassnahmen androht hatte, hat Paris nun erstmals Ernst gemacht. Am Mittwoch, den 27. Oktober 2021, wurden vor der normannischen Küste zwei britische Kutter von der französischen Marine kontrolliert. Einer wollte sich angeblich der Inspektion entziehen und soll nun deswegen gebüsst werden. Der andere wurde kurzerhand «geentert» und in den Hafen von Le Havre eskortiert, wo er seither festgehalten wird.

Die «Cornelis Gert Jan» stehe nicht auf der Liste der britischen Kutter, die in den französischen Gewässern auf Fang gehen dürften, heisst es zur Begründung. Bei dieser ersten französischen Retourkutsche dürfte es nicht bleiben, falls London nicht zügig die verlangten Lizenzen ausstellt. Schon ab dem 2. November 2021 drohen weitere Sanktionen: So könnten britische Kutter nicht mehr in französischen Häfen entladen werden, auch sind zusätzliche Zollkontrollen und eine Überprüfung der Hygiene- und Sicherheitsregeln denkbar.

Letzten Endes drohen auch Kontrollen im Lastwagenverkehr, was die Versorgung Grossbritanniens vor dem Weihnachtsgeschäft besonders hart treffen würde. London bezeichnete das französische Vorgehen zunächst nur als «enttäuschend». Am Freitag, 29. Oktober 2021, wurde dann aber aus Protest die französische Botschafterin ins Aussenministerium zitiert.

Da für Premierminister Boris Johnson der Fischereistreit ähnlich wie für die Regierung in Paris eine Prestigefrage ist, möchte er vor seiner öffentlichen Meinung nicht das Gesicht verlieren. Er droht nun damit, das Nordirland-Protokoll auszusetzen. Die Kraftprobe geht so bereits in die nächste Runde. Immerhin hat der britische Umweltminister George Eustice versichert, die Tür stehe offen für Gespräche. NZZ, 30. Oktober 2021, S. 5


Kohäsionsmilliarde und «Horizon Europe»

Die Europäische Union anerkennt, dass das Schweizer Parlament die Rahmenkredite in der Höhe von 1,1 Milliarden Franken nun freigeben will. Für Brüssel ist der Entscheid jedoch keine Geste, sondern eine Selbstverständlichkeit.

Mit Genugtuung hat Brüssel am späten 29. Oktober 2021 auf die Deblockierung der zweiten Schweizer Kohäsionsmilliarde durch National- und Ständerat reagiert. «Wir begrüssen den Entscheid des Schweizer Parlaments für die bedingungslose Auszahlung des zweiten Schweizer Kohäsionsbeitrags», teilte der Sprecher der EU-Kommission Eric Mamer mit.

Eher belehrend als lobend wies Mamer allerdings darauf hin, dass es sich bei der Freigabe aus Brüsseler Sicht um eine Selbstverständlichkeit handle. Man erinnere daran, «dass die letzte Zahlung des vorherigen Beitrags aus dem Jahr 2012 stammt, also aus mehr als einem ganzen Zyklus des mehrjährigen Finanzrahmens». Ein solcher Beitrag sei jedoch «das natürliche und logische Gegenstück zur Beteiligung der Schweiz am wichtigsten Binnenmarkt der Welt», so der Kommissionssprecher.

Brüssel hält die Rahmenkredite der Schweiz in der Höhe von 1,1 Milliarden Franken ganz und gar nicht für freiwillige Zahlungen. Und eine Garantie, dass man der Schweiz bei blockierten Dossiers wie der Forschungskooperation «Horizon Europe» jetzt entgegenkommt, will die EU erst recht nicht geben. Der Kohäsionsbeitrag sei ausschliesslich mit dem Zugang zum Binnenmarkt verknüpft, beteuerte Mamer, wobei der Zugang ja auch mit Kohäsionsbetrag erschwert wird!

Der Vizekommissionspräsident und neue «Mister Schweiz» der EU Maros Sefcovic machte in der Nacht auf Freitag, den 29. Oktober 2021, in einem Tweet klar, dass die Zahlung nun rasch erfolgen und auch für die Zukunft ein regelmässiger Zahlungsmechanismus gefunden werden müsse. Man müsse sicherstellen, «dass die Schweiz künftig die von der EU selbst und von den Efta-Staaten gesetzten Standards finanziell erfüllen wird». NZZ, 30. Oktober 2021, S., 13


Grüne und Operation Libero

Operation Libero und Grüne wollen zusammenspannen, um die Schweiz näher an die EU zu rücken. Gemeinsam soll 2022 eine EU-Initiative lanciert werden, die den Bundesrat zwingt, innerhalb von drei Jahren nach einer möglichen Annahme des Volksbegehrens die Bilateralen III oder gar den EU-Beitritt auszuhandeln.

«Wir wollen die europapolitische Blockade mit einer Initiative durchbrechen», sagt der Grünen-Präsident Balthasar Glättli gegenüber den Tamedia-Zeitungen. Die Operation-Libero-Präsidentin Sanija Ameti fügt an gleicher Stelle an: «Nur eine Initiative kann den Bundesrat dazu zwingen, europapolitisch wieder vorwärtszumachen.» Wie üblich wird bei den EU-Phorikern nicht zwischen Europa und der EU unterschieden – populisme oblige.

Gemäss den Tamedia-Zeitungen, denen ein erster Entwurf des Initiativtextes vorliegt, fokussiert dieser insbesondere auf die Forschungszusammenarbeit, auf Abkommen im Bereich Gesundheit, Cybersicherheit und Klimawandel sowie auf die Versorgungssicherheit, etwa beim Strom. Auch die vieldiskutierten Punkte Rechtsübernahme, Streitbeilegung und Mitsprache sollen verbindlich festgelegt werden.

Ab 1. November 2021 wollen Grüne und Operation Libero gemeinsam auf Partnersuche gehen. Ziel sei eine breite pro-EU-Allianz. Daran interessiert zeigen sich zurzeit vor allem Grünliberale und rechtsliberale linke Kreise. Mit dem Unterschriftensammeln will man spätestens im Juni 2022 beginnen. NZZ, 31. Oktober 2021.


Rechnungshof: EU-Waldschutz ungenügend

Der Europäische Rechnungshof zieht eine eher düstere Bilanz der europäischen Bemühungen zum Schutz der Wälder. Die an sich positiven Maßnahmen hätten den schlechten Zustand wegen mangelnder Durchsetzung von EU-Recht und fehlender Kontrollen eher manifestiert als verbessert. Der WWF kritisierte, dass die „schlampige Umsetzung“ von Rechtsvorschriften den Wäldern schade.

Der Europäische Rechnungshof (ECA) bescheinigt der bisherigen EU-Forststrategie „begrenzte Auswirkungen“. Die EU hätte zwischen 2014 und 2020 „entschiedenere Maßnahmen zum Schutz der Wälder ergreifen können“. Zumindest in Bereichen, in denen die EU uneingeschränkt zuständig ist, wie bei der Bekämpfung des illegalen Holzeinschlags oder durch eine stärkere Ausrichtung auf biologische Vielfalt und Klimaschutz, sei ihr Einfluss zwar positiv, aber nur „begrenzt“ gewesen.

Die getroffenen Maßnahmen zur Erhaltung der Lebensräume in den Wäldern seien nach wie vor qualitativ „problematisch“, da sie eher auf die Bewahrung des schlechten oder mangelhaften Zustands von 85 Prozent der Wälder als auf dessen Verbesserung abgezielt hätten, so der ECA. Die mit Wald bedeckte Fläche habe deshalb in den letzten Jahren zwar zugenommen, aber der Zustand der Wälder habe sich verschlechtert.

Obwohl in der EU die Waldgebiete fast so groß seien wie die Agrarflächen, fließe laut ECA in die Forstwirtschaft deutlich weniger EU-Geld als in die Landwirtschaft – weniger als ein Prozent der Mittel für die Gemeinsame Agrarpolitik. Dieses Geld werde vor allem für Erhaltungsmaßnahmen, die Anpflanzung von Bäumen und Wiederherstellung von Waldflächen eingesetzt. Bei einigen Wiederaufforstungsprojekten habe die ECA-Prüfung aber „Cluster von Monokulturen“ festgestellt, „obwohl eine Mischung verschiedener Baumarten die biologische Vielfalt sowie die Widerstandsfähigkeit gegen Stürme, Dürren und Krankheiten verbessert hätte“.

Trotz gegenteiliger Vorgaben in der EU-Holzverordnung finde „weiterhin illegaler Holzeinschlag statt“, was vor allem an der mangelnden Durchsetzung der Verordnung in den Mitgliedstaaten und fehlenden Kontrollen liege. Auch die EU-Kommission kontrolliere nicht ausreichend und nutze die mögliche Fernerkundung mittels Erdbeobachtungsdaten, Karten oder Fotos „nicht konsequent“, obwohl diese Art der Überwachung „kostengünstig“ sei.

„Die schlampige Umsetzung von EU-Rechtsvorschriften durch die Regierungen schadet unseren Wäldern“, kommentiert das WWF Europabüro den Sonderbericht des ECA. Die EU-Maßnahmen für den Schutz biologischer Vielfalt und zur Bekämpfung des Klimawandels in den Wäldern würden zu oft nicht in wirkliche Erhaltungsmaßnahmen vor Ort umgesetzt – obwohl die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet sind. Der Bericht warne vor der leider nur begrenzten Wirkung der EU-Naturschutzvorschriften wie Vogelschutz- und Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie sowie der Holzverordnung. Beispielsweise habe der ECA festgestellt, dass in vielen Natura-2000-Schutzgebieten, in denen sich Wälder befinden, keine Schutzmaßnahmen bestehen oder diese nicht umgesetzt werden, kritisierte die Organisation.

Der WWF forderte die Kommission und die EU-Mitgliedstaaten auf, diese Maßnahmen zu ergreifen:

• Sicherstellen, dass die Wälder in der EU wirklich geschützt sind. Dazu gehöre der strikte Schutz aller verbleibenden alten Wälder und Primärwälder.
• Die biologische Vielfalt als Schlüsselprinzip in die kommerzielle Waldbewirtschaftung einbeziehen. Dies sei eine absolute Notwendigkeit, die die Widerstandsfähigkeit der Wälder gegen klimabedingte Störungen wie Dürren, Brände und Schädlinge erhöhe.
• Verbesserung der Definition von nachhaltiger Waldbewirtschaftung mit Kriterien für die Beurteilung, ob ein Wald „nachhaltig bewirtschaftet“ wird. Dies trage dazu bei, dass die Finanzierung der ländlichen Entwicklung positive Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und die Widerstandsfähigkeit der Wälder habe.
• Einführung und Unterstützung ehrgeiziger rechtsverbindlicher Ziele für die Wiederherstellung der Natur, auch für Waldökosysteme.

Die EU-Kommission hatte im Juni (EU-News 30.06.2021) eine neue EU-Forststrategie verabschiedet, um die derzeit heftig gestritten wird (EU-News 20.07.2021, EU-News 23.09.2021). Am Mittwoch steht das Thema auf der Tagesordnung des EU-Umweltrates (EU-News 07.10.2021). [jg] Pressemitteilung ECA: EU-Forststrategie hat nur begrenzte Auswirkungen (https://www.eca.europa.eu/Lists/ECADocuments/INSR21_21/INSR_Forestry_DE.pdf) und Sonderbericht Nr. 21/2021 (PDF, 56 S.): EU-Förderung für biologische Vielfalt und Anpassung an den Klimawandel in den Wäldern der EU: Ergebnisse sind positiv, aber von begrenzter Reichweite https://www.eca.europa.eu/Lists/ECADocuments/SR21_21/SR_Forestry_DE.pdf Reaktion WWF: Governments’ shoddy implementation of EU laws harms our forests https://www.wwf.eu/?uNewsID=4705341 https://www.dnr.de/eu-koordination/eu-umweltnews/2021-naturschutz-biodiversitaet/rechnungshof-eu-waldschutz-hat-bisher-nicht-gereicht/ 04. Oktober 2021


Geopolitik: EU will Arktisbüro in Grönland

Das Eis schmilzt, die Begehrlichkeiten wachsen. Neben dem „grünen Wandel“ in der Arktis und Mitteln für die einheimische Bevölkerung will die EU auch ihre Sichtbarkeit vor Ort fördern und ihre geopolitischen Interessen umfassend definieren. Immerhin will sie fordern, auf die Förderung von Erdöl, Kohle und Gas auch in den arktischen Regionen zu verzichten.

Die EU-Kommission und der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik haben am Mittwoch, den 14. Oktober 2021, eine Gemeinsame Mitteilung über ein verstärktes Engagement der EU „für eine friedliche, nachhaltige und prosperierende Arktis“ vorgestellt. Auch die Umwelt soll in der neuen Arktispolitik eine Rolle spielen. Die EU werde ihr Engagement für die Arktis weiter ausbauen und dabei unter anderem folgende zentrale Ziele verfolgen:

„entschlossene Maßnahmen zur Bewältigung der ökologischen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen des Klimawandels und der Umweltzerstörung; Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Arktis durch Umweltvorschriften, konzertierte Maßnahmen gegen Rußablagerungen und tauenden Permafrost sowie durch die Forderung, auf die Förderung von Erdöl, Kohle und Gas auch in den arktischen Regionen zu verzichten“.

Die EU werde ein Kommissionsbüro in Grönland einrichten, um die Sichtbarkeit der Arktisbelange in den Außenbeziehungen der EU zu erhöhen. Außerdem stelle die EU Mittel für die Förderung des grünen Wandels in der Arktis, zugunsten der arktischen Bevölkerung, zur Verfügung.

„Die Arktis verändert sich aufgrund der Auswirkungen der Erderwärmung, des zunehmenden Wettbewerbs um natürliche Ressourcen und geopolitischer Rivalitäten rasant. Diese Entwicklungen zeigen, dass Europa seine geopolitischen Interessen umfassend definieren muss, um Stabilität, Sicherheit und friedliche Zusammenarbeit in der Arktis zu fördern“, so Josep Borrell, Hoher Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik.

EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius betonte, dass die Arktis sich dreimal schneller als der Rest der Welt erwärme. „Das Schmelzen von Eis und das Auftauen von Permafrost in der Arktis beschleunigen den Klimawandel und haben enorme Folgewirkungen. Die EU hat sich verpflichtet, zur Sicherheit, Stabilität, Nachhaltigkeit und Prosperität der Arktis beizutragen.“

Bereits in der vergangenen Woche hatte das EU-Parlament in einem neuen Bericht über geopolitische und sicherheitspolitische Herausforderungen in der Arktis gefordert, dass „die arktischen Staaten und die internationale Gemeinschaft die Arktis als ein Gebiet des Friedens, geringer Spannungen und konstruktiver Zusammenarbeit erhalten“ sollten. Die Abgeordneten forderten alle beteiligten Länder und die EU auf, auf „die äußerst besorgniserregenden Folgen des Klimawandels in der Arktis“ zu reagieren, unter anderem durch das Festhalten an den Zielen des Pariser Abkommens. Zudem müssten die Kultur und die Rechte der indigenen Völker der Region geschützt werden, auch bei der Nutzung natürlicher Ressourcen.

Die Abgeordneten äußerten sich außerdem „besorgt über die zunehmende militärische Aufrüstung Russlands in der Arktis, die ihrer Ansicht nach nicht gerechtfertigt ist, da sie weit über legitime Verteidigungszwecke hinausgeht“. Auch die weitreichenden chinesischen Projekte in der Arktis erweckt die Sorge des EU-Parlaments. Die EU müsse die Versuche Chinas, die Nördliche Seeroute der Arktis in die Neue Seidenstraßen-Initiative zu integrieren, genau beobachten, da dies das Ziel, die Arktis von der globalen Geopolitik abzuschirmen, in Frage stelle. Im September 2021 hatte eine Delegation des Parlaments die Region besucht. Kürzlich veröffentlichte der deutsch-französische Fernsehsender ARTE einen Fünf-Minuten-Film über das Thema mit dem Titel „EU bringt sich in Stellung“.

EU-Kommission Pressemitteilung: EU setzt sich stärker für die Arktis ein sowie Fragen und Antworten zur Arktisstrategie der EU https://eeas.europa.eu/headquarters/headquarters-homepage/105538/node/105538_de

EU-Parlament Pressemitteilung: Arktis: Frieden wahren, Spannungen abbauen

https://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20210930IPR13931/arktis-frieden-wahren-spannungen-abbauen

https://www.dnr.de/eu-koordination/eu-umweltnews/2021-wasser-meere/geopolitik-eu-will-arktisbuero-in-groenland/ DNR 14. Oktober 2021.


Parlament gibt Kohäsionsmilliarde frei

Trotz anhaltender Diskriminierung wird die Schweiz die blockierten Kohäsionsbeiträge an EU-Staaten auszahlen. In einem Kraftakt haben am Donnerstag, den 30. September 2021, beide Kammern des Parlaments zugestimmt.

Der Vorgang dürfte in die Geschichte des Schweizer Parlaments eingehen: Am Donnerstag haben National- und Ständerat ein Geschäft innerhalb eines einzigen Tages bereinigt. Es handelt sich dabei um die bedingungslose Freigabe der zweiten Schweizer Kohäsionsmilliarde. Sie umfasst Kredite von 1,3 Milliarden Franken für Entwicklungsprojekte in ausgewählten EU-Staaten.

Der Nationalrat hat sich am Abend mit 131 zu 55 Stimmen für diesen Schritt ausgesprochen. Nein sagten neben der gesamten SVP auch drei Vertreter der Mitte-Fraktion. Bereits am Vormittag hat der Ständerat entschieden, er unterstützte die Auszahlung mit 30 zu 9 Stimmen. Der Widerstand kam auch hier von der SVP und einem Teil der Mitte. In beiden Kammern gingen dem Beschluss lebhafte, teilweise emotionale EU-politische Debatten voraus, in denen manch böses Wort fiel.

Konkret hat das Parlament entschieden, eine Klausel aus den Beschlüssen zur Kohäsionsmilliarde zu streichen, die es 2019 selbst eingefügt hatte. Sie besagt, dass keine Gelder gesprochen werden dürfen, «wenn und solange die EU diskriminierende Massnahmen gegen die Schweiz erlässt». Diese Voraussetzung ist heute nicht erfüllt, insbesondere weil die EU die Schweizer Börse noch immer nicht anerkennt. Auch bei der Forschungskooperation «Horizon» stellt Brüssel die Schweiz schlechter als andere Drittstaaten, was manche in Bern ebenfalls als diskriminierend einstufen, zwar nicht juristisch, aber politisch.

Dennoch ist das Parlament heute bereit, den Kohäsionsbeitrag auszuzahlen. Die Mehrheit will damit primär ein Zeichen des guten Willens aussenden, nachdem der Bundesrat im Mai mit dem einseitigen Begräbnis des Rahmenabkommens die EU vor den Kopf gestossen hat. Damit verbunden ist die Hoffnung, dass Brüssel nach der Auszahlung bereit ist, mit Bern wieder über Fragen zu sprechen, die für die Schweiz wichtig sind: die Forschung, die Zusammenarbeit im Strombereich oder Erasmus, das Austauschprogramm für Studierende.

Allerdings gibt es keine Garantien oder Zusagen aus Brüssel. Aussenminister Ignazio Cassis hat dies in den Debatten bestätigt. Der Bundesrat sei bereit, dieses Risiko in Kauf zu nehmen. Die vorherrschende Interpretation in Bern lässt sich etwa so zusammenfassen: Es ist nicht sicher, ob die EU der Schweiz nach der Freigabe des Kohäsionsbeitrags entgegenkommt – hingegen ist sicher, dass sie es ohne diesen Entscheid nicht tun wird.

SP-Ständerat Daniel Jositsch verglich die Schweiz mit einem Mieter, der seit Jahren keine Miete mehr bezahlt, nun aber möchte, dass der Vermieter den Mietvertrag erneuert. Jositsch bezeichnete die Freigabe der Gelder als minimalen Schritt, nachdem der Bundesrat den Rahmenvertrag verworfen habe, ohne über eine Strategie zu verfügen. Auch Mitte-Ständerat Pirmin Bischof (Mitte) und viele weitere Votanten hielten fest, die Schweiz schulde diesen Betrag, weil sie Teil des EU-Binnenmarkts sei.

Doch gerade die Mitte ist in dieser Frage gespalten. Ein kleinerer Teil der Fraktion will das Verhalten der EU nicht hinnehmen. Auch aus Sicht der SVP müsste die Schweiz darauf beharren, dass Brüssel zuerst alle diskriminierenden Schritte rückgängig macht. Dies sei eine Selbstverständlichkeit in einer Partnerschaft auf Augenhöhe.

Statt die bisherigen Nadelstiche zurückzunehmen, habe die EU zuletzt sogar noch neue hinzugefügt, beklagte der Mitte-Ständerat Daniel Fässler. Er verwies vor allem auf den Strombereich. Fässler bezeichnete die Freigabe der Kohäsionsgelder als «Kapitulation vor der Machtpolitik der EU». Seine Parteikollegin Heidi Z’graggen bedachte das Vorgehen der Mehrheit mit Begriffen wie «vorauseilender Gehorsam», «Selbstverleugnung» und «Servilität». SVP-Nationalrat Roger Köppel warf der Mehrheit vor, einer «Erpressung» nachzugeben.

Dass ein sensibles Geschäft wie die Kohäsionsmilliarde in einer derartigen Hauruckübung erledigt wird, sorgte im Bundeshaus für Kritik. Die Vorgeschichte, die zu diesem Expressverfahren führte, ist symptomatisch für die anhaltende Zerstrittenheit in der EU-politik. Der Bundesrat wollte von Beginn weg, dass das Parlament die Sache in dieser Session abschliessend bereinigt, damit die Kohäsionsbeiträge möglichst rasch umgesetzt werden können. Der Zeitdruck ist gross, die gesetzliche Grundlage ist bis Ende 2024 befristet.

Doch nicht alle haben es so eilig, der EU eine Freude zu machen. Um eine Einigung in der laufenden Session zu verhindern, setzte die Leitung des Ständerats das Geschäft bewusst auf den letzten ordentlichen Sitzungstag. So wollte sie dem Nationalrat, der erst als Zweites zum Zuge kam, die Möglichkeit nehmen, die Vorlage noch in dieser Session zu behandeln. Nach diesem Manöver war zu erwarten, dass der Entscheid erst im Dezember fällt, womit der Zeitdruck bei der Vorbereitung und Umsetzung der Kohäsionsprojekte noch einmal zugenommen hätte.

Es kam anders: Eine Gruppe von Nationalräten aus den Reihen der SP, der FDP, der Grünen und der GLP wollte das nicht kampflos hinnehmen. Anfang dieser Woche hat sie ihrerseits den Ständerat mit einem überraschend eingereichten Ordnungsantrag überlistet: Sie schlug vor, die Debatte am gleichen Tag anzusetzen wie im Ständerat, einfach erst am Abend. Der Vorschlag wurde im Nationalrat knapp angenommen, die Sitzungszeit am Donnerstag «open end» verlängert.

In der Sache geht es um zwei Rahmenkredite mit einer Laufzeit bis 2029. Mit 1,1 Milliarden Franken will die Schweiz in 13 Ländern – primär im Osten der EU – Projekte «zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten» mitfinanzieren. Thematisch steht die Berufsbildung im Zentrum. Hier wollen die Zuständigen im Aussen- und im Wirtschaftsdepartement die hiesige Expertise einbringen, mit dem Ziel, vor Ort die Ausbildung von Fachkräften zu verbessern und die Jugendarbeitslosigkeit zu reduzieren. Bern beteiligt sich dabei nur an Projekten, die auch vom Partnerland mitfinanziert werden.

Der zweite Teil ist kleiner: Mit 200 Millionen Franken wird der Bund Projekte im Bereich Migration unterstützen. Im Fokus stehen südliche Länder, die mit vielen Asylsuchenden konfrontiert sind. Ihnen will die Schweiz helfen, die Strukturen und Prozesse für die Aufnahme von Flüchtlingen zu verbessern und die Verfahren effizienter zu gestalten. Aus Sicht des Bundesrats ist es im Interesse der Schweiz, wenn exponierte EU-Länder besser in der Lage sind, mit der Migration umzugehen. NZZ, 1. Oktober 2021, S. 1

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